aus: fruechte des zorns

die restauration der bundesrepublik deutschland

das politische und gesellschaftliche klima in den drei westzonen war nach ende des krieges von wiederaufbau, der schaffung des »wirtschaftswunders« und der verdraengung der nationalsozialistischen vergangenheit bestimmt. die westlichen siegermaechte frankreich, england und vor allem die usa forcierten die kapitalistische restauration der drei westzonen und ihre eingliederung in den westlichen militaer- und wirtschaftsblock. sie blockierten jede initiative, die nach dem zusammenbruch des »3. reiches« grundlegende gesellschaftliche veraenderungen anstrebte, und bauten die westzonen zum »bollwerk gegen den bolschwismus« aus.

diesen zielen wurde auch die »entnazifizierung« untergeordnet. binnen weniger jahre waren ehemalige nazis wieder in amt und wuerden, haftstrafen gegen sie wurden ausgesetzt. der feind stand wieder links.

1947 wurde in der »truman-doktrin« anti-kommunismus und der »kalte krieg« als neue leitlinien der us-amerikanischen aussenpolitik festgelegt. als die koalition aus cdu/csu, fdp und dp (deutsche partei) unter bundeskanzler konrad adenauer aus den ersten bundestagswahlen im august 1949 als sieger hervorging, wurde diese politik fuer den »frontstaat« bundesrepublik deutschland nachvollzogen.

bereits anfang der 50er jahre begann eine erneute verfolgung von mitgliedern der kpd, die bis dahin sowohl im bundestag als auch in fast allen laenderparlamenten vertreten war. gegen kommunistinnen, die waehrend des faschismus in zuchthaeusern und konzentrationslagern gesessen hatten, wurden die gleichen beschuldigungen wie zur zeit des nationalsozialismus erhoben, viele zu haftstrafen, u.a. wegen »hochverrats«, verurteilt. 1956 gab das bundesverfassungsgericht dem antrag der adenauer-regierung auf verbot der kommunistischen partei deutschlands statt, das parteivermoegen wurde beschlagnahmt, die parteibueros geschlossen.

als wichtigen schritt zur integration der brd in das westliche militaerbuendnis strebte die adenauer-regierung ab anfang der 50er jahre die remilitarisierung deutschlands an. gegen diese ziele demonstrierte eine breite antimilitaristische bewegung. in einer - verbotenen - volksbefragung sammelte sie 9 millionen stimmen gegen die wiederbewaffnung. sie setzte sich vor allem aus mitgliedern der falken, der gewerkschaftsjugend, der fdj (jugendorganisation der kpd) und personen aus kirchlichen kreisen zusammen. als adenauer und der damalige verteidigungsminister franz-josef strauss 1957 die ausruestung der bundeswehr mit taktischen atomwaffen forderten, kam aus dieser antimilitaristischen bewegung der anstoss zu der kampagne »kampf dem atomtod«.

ungeachtet dieses protestes wurden die remilitarisierung deutschlands und spaeter die atomare aufruestung der bundeswehr im bundestag beschlossen. 1955 trat die brd der nato bei, ein jahr spaeter wurde die allgemeine wehrpflicht wieder eingefuehrt.

als instrument zur wahrung der »inneren sicherheit« wurde am 13. januar 1960 von innenminister schroeder der erste entwurf der notstandsgesetze vorgelegt, die es der jeweiligen regierung gesetzlich moeglich machen, »zur abwehr einer drohenden gefahr fuer den bestand oder die freiheitliche demokratische ordnung des bundes oder einer der laender« den ausnahmezustand zu erklaeren und grundrechte weitgehend ausser kraft zu setzen. dieses gesetzespaket konnte allerdings erst 1968 gegen heftigen ausserparlamentarischen widerstand von der grossen koalition aus cdu/csu/spd mit der erforderlichen 2/3-mehrheit verabschiedet werden.

die sozialdemokratische partei deutschlands (spd) verabschiedete sich auf dem godesberger parteitag im november 1959 endgueltig von marxistischen zielen und den traditionen der arbeiterbewegung. sie definierte sich fortan als »volkspartei« und hatte nicht mehr einen gesellschaftlichen umsturz und die beseitigung kapitalistischer produktionsverhaeltnisse zum ziel, sondern setzte auf »mitbestimmung« und regierungsbeteiligung. damit war der weg fuer die bildung der grossen koalition von cdu/csu und spd im november 1966 geebnet. die integrationsfaehigkeit der sozialdemokraten wurde gebraucht, um die proteste angesichts der ersten wirtschaftlichen krisenerscheinungen seit kriegsende zu bewaeltigen.

bereits zuvor hatte sich die spd - wie auch die gewerkschaften -, aus den protestbewegungen gegen atomtod und notstandsgesetze nach anfaenglicher beteiligung zurueckgezogen, mit ihrem eintritt in die regierungsverantwortung verlor sie fuer viele linke ihre glaubwuerdigkeit als gesellschaftsveraendernde kraft. am 10. dezember 1966 rief rudi dutschke zur bildung einer ausserparlamentarischen opposition (apo) auf.

die 68er revolte

in den jahren 1967/68 entwickelte sich - ausgehend von den universitaeten - in rasantem tempo die antiautoritaere bewegung, die innerhalb weniger jahre einen bruch mit den moralischen und politischen werten der eltern - der »auschwitz-generation« - vollzog. dieser protest setzte zunaechst in den bereichen persoenlicher erfahrung an, richtete sich gegen die autoritaeren strukturen in staat und gesellschaft, gegen meinungsmanipulation - vor allem am beispiel der springer-presse -, gegen die notstandsgesetze und den repressiven staatsapparat und zielte auf persoenliche emanzipation.

eine besondere dynamik erhielt diese bewegung dann aus der verbindung mit dem politischen lernprozess, der durch die auseinandersetzung mit dem vietnam-krieg ab mitte der 60er jahre in gang kam und die bis dahin weitgehend unwidersprochenen werte von »demokratie und freiheit« angesichts des krieges der amerikanischen befreier vom faschismus gegen das vietnamesische volk zerplatzen liess.

in vietnam hatte die 1944 gegruendete befreiungsfront den kampf gegen die japanischen und franzoesischen kolonialmaechte aufgenommen. nachdem die franzoesische kolonialarmee 1954 kapitulierte, wurde das land auf betreiben der alliierten grossmaechte des zweiten weltkrieges in nord- und suedvietnam geteilt und wahlen unter internationaler kontrolle bis zum 26.7.1956 vereinbart.

unter kontrolle der amerikaner wurde in suedvietnam ein statthalterregime unter ngo dinh diem eingesetzt, nordvietnam von der befreiungsfront unter ho tschi-minh regiert.

als ngo dinh diem die vereinbarten wahlen behinderte, wuchs der widerstand im land. 1965 kam es in suedvietnam zu den ersten militaerischen auseinandersetzungen zwischen der armee und der 1960 gegruendeten nationalen befreiungsfront (fln). von diesem zeitpunkt an nahm das militaerische engagement der usa zu, die truppenstaerke wie auch die zahl der bombenangriffe - vor allem gegen nordvietnam als »rueckzugsbasis« - wurden staendig erhoeht. die amerikanische regierung erklaerte den vietnam-krieg zum kampf fuer die »freie welt« und gegen den kommunismus.

die brutalitaet der us-amerikanischen flaechenbombardements unter einsatz von napalm loeste in der brd, wie in anderen westlichen industriestaaten, zunaechst humanitaer und moralisch begruendete proteste und empoerung aus. als dann - initiiert vom sozialistischen deutschen studentenbund (sds) - die politischen interessen und zusammenhaenge analysiert wurden, entwickelte sich in der studentenbewegung ein bewusstes anti-imperialistisches engagement und die unterstuetzung der befreiungsbewegungen der 3.welt.

auf dem internationalen vietnam-kongress im februar 1968 in berlin wurden die konsequenzen aus diesen analysen gezogen: zur unterstuetzung des befreiungskampfes in der 3.welt und fuer eine weltweite umwaelzung der sozialen und politischen verhaeltnisse sollte in den metropolen eine zweite front eroeffnet werden, durfte westeuropa nicht das »ruhige hinterland des imperialismus« bleiben. die mittel und formen in diesem kampf sollten nach den bedingungen und dem bewusstsein der massen in den jeweiligen laendern bestimmt werden. dies schloss ausdruecklich auch die anwendung revolutionaerer gewalt ein, das lateinamerikanische konzept der stadtguerilla wurde breit diskutiert.

die neue frauenbewegung

im september 1968 war die rede des »aktionsrates zur befreiung der frauen« auf einer delegiertenkonferenz des sds in frankfurt der anstoss fuer die neue frauenbewegung: »der sds (ist) innerhalb seiner organisation ein spiegelbild gesamtgesellschaftlicher verhaeltnisse. dabei macht man anstrengungen, alles zu vermeiden, was zur artikulierung dieses konfliktes zwischen anspruch und wirklichkeit beitragen koennte, da dies eine neu-orientierung der sds-politik zur folge haben muesste. diese artikulierung wird auf einfache weise vermieden. naemlich dadurch, dass man einen bestimmten bereich des lebens vom gesellschaftlichen abtrennt, ihn tabuisiert, indem man ihm den namen privatleben gibt. in dieser tabuisierung unterscheidet sich der sds in nichts von den gewerkschaften und den bestehenden parteien. diese tabuisierung hat zur folge, dass das spezifische ausbeutungsverhaeltnis, unter dem die frauen stehen, verdraengt wird, wodurch gewaehrleistet wird, dass die maenner ihre alte, durch das patriarchat gewonnene identitaet nicht aufgeben muessen.[...]

die trennung zwischen privatleben und gesellschaftlichem leben wirft die frau immer zurueck in den individuell ausgetragenen konflikt ihrer isolation. [...] wir streben lebensbedingungen an, die das konkurrenzverhaeltnis zwischen mann und frau aufheben. dies geht nur durch umwandlung der produktionsverhaeltnisse und damit der machtverhaeltnisse, um eine demokratische gesellschaft zu schaffen.«

diese initiative war ein ausloeser - ueberall in der bundesrepublik wurden »weiberraete« gegruendet, frauen organisierten sich autonom.

als im sommer 374 frauen im »stern« oeffentlich bekannten, »ich habe abgetrieben«, begann eine kampagne gegen den abtreibungsparagraphen § 218 und fuer das selbstbestimmungsrecht der frau. die von der sozialliberalen koalition bei regierungsantritt 1969 zwar angekuendigte, aber immer wieder verschobene liberalisierung des § 218 wurde von den frauen eingefordert.

die fragen des selbstbestimmungsrechts der frau, der rolle in ehe, familie und gesellschaft, der doppelbelastung und leichtlohngruppen, die forderung nach abschaffung des § 218 sowie praktische unterstuetzung von frauen, die abtreiben wollen (wie die organisierung von abtreibungsfahrten nach holland, wo ein liberaleres abtreibungsgesetz gilt), wurden in gruppen, auf kongressen und ab mitte der 70er jahre auch in frauenzentren diskutiert. in gesundheitszentren vermittelten fachfrauen kenntnisse ueber abtreibung, selbstuntersuchung und verhuetung, um der macht von aerzten etwas entgegenzusetzen. ab 1973/74 entstanden selbsterfahrungsgruppen, in denen frauen ihre individuellen erfahrungen als gesellschaftlich bedingte unterdrueckung analysierten und widerstandsformen entwickelten.

in der verbindung der subjektiven erfahrung, als frau in einem patriarchalen-kapitalistischen system unterdrueckt zu werden, mit der analyse der politischen verhaeltnisse entwickelte die frauenbewegung eine sprengkraft, die radikale veraenderungen in allen sozialen und gesellschaftlichen bereichen zur folge hatte.

am 25. april 1974 stimmte der deutsche bundestag der fristenloesung - einer reform des § 218 - zu, nach der abtreibungen bis zur zwoelften schwangerschaftswoche legalisiert wurden. das bundesverfassungsgericht in karlsruhe erklaerte diese reform jedoch am 25. februar 1975 fuer verfassungswidrig. daraufhin verabschiedete der bundestag am 18. mai 1976 die erweiterte indikationsloesung, wonach eine abtreibung nur dann moeglich ist, wenn ein arzt oder eine beratungsstelle das vorliegen einer sozialen, medizinischen oder eugenischen indikation bescheinigt.

parallel zur frauenbewegung organisierten sich auch andere gesellschaftliche gruppen: lehrlinge und schueler gruendeten unabhaengige zusammenschluesse und kaempften fuer autonome, selbstverwaltete jugendzentren - eine bewegung, die sich nicht nur auf die grossstaedte beschraenkte, sondern auch auf laendliche gebiete uebergriff.

auch in den betrieben waren auswirkungen der 68er revolte spuerbar. gegen den willen der gewerkschaften wurden im september 1969 in wilden streiks hoehere loehne durchgesetzt. anfang 1973 begann erneut eine welle von wilden streiks, u.a. bei hoesch, mannesmann, karmann, john deere, kloeckner, hella, pierburg, ford, daimler-benz, saarbergkonzern. diese streiks wurden vor allem von auslaendischen arbeiterinnen getragen, die neben lohnerhoehungen forderungen nach verbesserung der arbeitsbedingungen und die abschaffung von leichtlohngruppen erhoben. polizei und werkschutz schlugen die streiks nieder, der werkschutz wurde in der folge weiter ausgebaut.

die reaktion

in den medien - allen voran in den zeitungen des springer-konzerns - wurde eine massive hetze gegen die studenten verbreitet. so z.b. auch die aeusserung des berliner buergermeisters klaus schuetz (spd): »ihr muesst diese typen sehen. ihr muesst ihnen genau ins gesicht sehen. dann wisst ihr, denen geht es darum, unsere freiheitliche grundordnung zu zerstoeren.«

der tod von benno ohnesorg bei der demonstration gegen den schah von persien in berlin am 2. juni 1967 - ohnesorg wurde im verlauf der demonstration von dem polizisten kurras in den hinterkopf geschossen - zerstoerte die illusionen ueber den buergerlichen staat.

als knapp ein jahr spaeter - am 10. april 1968 - der 23jaehrige josef bachmann auf rudi dutschke schoss, demonstrierten in berlin 3.000 menschen vor dem springer-hochhaus. in vielen staedten wurde der springer-konzern als der wirklich schuldige an diesem attentat angegriffen.

die aufloesung der apo

ende des jahres 1968 stiess die apo in ihrer bisherigen form und zielsetzung an ihre grenzen. auf der suche nach »dem revolutionaeren subjekt« und einem ansatzpunkt fuer politische veraenderungen splitterte sie sich auf. es wurden verschiedene k-gruppen gegruendet, die vor allem auf die revolutionierung der arbeiterklasse setzten (die kpd, mit dem ihr angegliederten kommunistischen studentenverband und der liga gegen den imperialismus; in verschiedenen staedten entstanden kommunistische buende, die sich 1973 zum kbw, kommunistischen bund westdeutschlands zusammenschlossen; sowie die am 16. september 1968 gegruendete dkp, die deutsche kommunistische partei). andere begannen den »marsch durch die institutionen«, um die gesellschaftlichen strukturen von innen heraus zu veraendern. eine dritte stroemung bildeten die antiautoritaeren, undogmatischen gruppen. am 21. maerz 1970 loeste sich der sds-bundesvorstand auf.

ein teil der linken ging in die betriebe, um dort die politische arbeit fortzusetzen; andere - vor allem undogmatische gruppen - versuchten, in anderen sozialen bereichen anzusetzen: sie bezogen sich in ihrer politischen arbeit auf stadtteile, unterstuetzten oder initiierten mietstreiks und hausbesetzungen.

als von mehreren nahverkehrsunternehmen die fahrpreise erhoeht wurden, begann 1969 - ausgehend von hannover - der kampf gegen fahrpreiserhoehungen und fuer den »nulltarif«. die aktion »roter punkt« wurde initiiert (autofahrer signalisierten mit einem roten punkt auf der windschutzscheibe, dass sie bereit waren, andere personen mitzunehmen), schwarzfahrerversicherungen wurden gegruendet und fahrkartenautomaten ausser betrieb gesetzt.

zur gleichen zeit konstituierten sich die rote armee fraktion (raf) und die bewegung 2. juni (im juni 1972 als zusammenschluss mehrerer stadtguerillagruppen) als bewaffnet und illegal kaempfende gruppen. sie griffen das vor allem in lateinamerika in die praxis umgesetzte konzept der stadtguerilla auf.

die aufruestung zur »inneren sicherheit« durch die sozialliberale koalition

am 21. oktober 1969 uebernahm erstmals eine spd/fdp-koalition die regierungsverantwortung, willy brandt wurde bundeskanzler. mit seiner person verknuepften viele die hoffnung auf reformen, auf eine gesellschaftliche demokratisierung und soziale verbesserungen.

mit einer amnestie fuer alle demonstrationsdelikte, die ein strafmass von acht monaten nicht ueberschritten, ermoeglichte die sozialliberale koalition die integration von teilen der studentenbewegung, die als neue akademische elite unverzichtbar waren. gleichzeitig wurden im januar 1972 der radikalenerlass verabschiedet und eine massive aufruestung zur wahrung der »inneren sicherheit« in angriff genommen, um die revolutionaere, nicht integrationswillige linke auszugrenzen. im zuge der »terroristenfahndung« erschossen zielfahndungskommandos 1971 petra schelm, georg von rauch und thomas weissbecker.

bei regierungsantritt hatte die sozialliberale koalition ein »sofortprogramm innere sicherheit« zum ausbau und aufruestung von polizei und staatsschutz vorgelegt, das bis ende 1976 ueberwiegend verwirklicht wurde:

    • 1968 wurde die zusammenarbeit von polizei, staatsanwaltschaft, bundeskriminalamt und bundesgrenzschutz neu strukturiert und zentralisiert;

    • im sommer 1969 wurden die mittel fuer das bundeskriminalamt verdoppelt und seine kompetenzen ausgeweitet;

    • im november 1970 wurde das »sofortprogramm zur verbrechensbekaempfung« verabschiedet, das u.a. den ausbau des bka zur zentralen bundesbehoerde zustaendig fuer »schwerstkriminalitaet« und »staatsschutzsachen« regelt;

    • im september 1971 wurde horst herold (spd) praesident des bundeskriminalamtes. er stand fuer das ziel einer totalitaeren erfassung und kontrolle zum schutz der »inneren sicherheit« der brd mit hilfe der computerisierung;

    • am 28. januar 1972 wurde der »extemistenbeschluss« von den regierungschefs des bundes und der laender verabschiedet, wonach nur derjenige »in das beamtenverhaeltnis berufen werden (darf), der die gewaehr bietet, dass er jederzeit fuer die freiheitliche demokratische grundordnung [...] eintritt.« in den folgenden jahren erfolgte die politische ueberpruefung von ca. 3,5 millionen bewerberinnen fuer den oeffentlichen dienst, und es wurden ca. 2.500 berufsverbote ausgesprochen;

    • mit dem am 22. maerz 1972 vom bundeskabinett verabschiedeten »schwerpunktprogramm innere sicherheit« wurde das »sofortprogramm« von 1970 weiter ausgebaut, der aufgabenbereich des bundesgrenzschutzes erweitert und die spezialeinheit gsg 9 zur »terroristenbekaempfung« ins leben gerufen;

    • das bka-gesetz vom 29.06.73 bildete die grundlage fuer eine erweiterung und zentralisierung der kompetenzen des bundeskriminalamtes, sowie fuer einen ausbau der datenmaessigen erfassung; ab mai 1975 galt die zentrale zustaendigkeit des bka fuer den bereich »te« - »terrorismus«.

die verhaftungen von mitgliedern der guerilla und die ersten aktionen zur gefangenenbefreiung

anfang des jahres 1972 reagierte die raf auf die erneuten flaechenbombardements in vietnam durch die us-armee mit einer »mai-offensive«: sie veruebte gegen us-militaereinrichtungen in mehreren staedten anschlaege. wenig spaeter, im juni 1972 wurden andreas baader, holger meins, jan carl raspe, ulrike meinhof, gudrun ensslin, brigitte mohnhaupt, irmgard moeller, klaus juenschke und gerhard mueller verhaftet.

die bewegung 2. juni entfuehrte im februar 1975 - zwei tage vor den berliner wahlen - den berliner cdu-vorsitzenden peter lorenz und forderte die freilassung von politischen gefangenen. der regierende spd-senat stand vor dem problem, den spitzenkandidaten der gegenpartei nicht in gefahr bringen zu koennen und erfuellte die forderungen der entfuehrer; die gefangenen wurden in die volksrepublik jemen ausgeflogen, peter lorenz am 5. maerz wieder freigelassen.

zwei monate spaeter - am 24.4.75 - besetzte das »kommando holger meins« die deutsche botschaft in stockholm und forderte die freilassung von 26 politischen gefangenen. die polizei stuermte das gebaeude, die dort deponierte bombe explodierte. ein mitglied des kommandos, ulrich wessel, wurde bei der erstuermung getoetet, siegfried hausner starb, nachdem er - gegen die zustimmung der aerzte - mit schweren verletzungen in die brd transportiert worden war, im stammheimer knast.

internationale solidaritaet

die internationalen bezugspunkte der deutschen linken waren neben vietnam und dem iran die schwarze buergerrechtsbewegung in den usa, die im oktober 1966 gegruendete black panther party und die befreiungsbewegungen in lateinamerika und palaestina.

chile

im september 1973 begann nach dem militaerputsch eine breite solidaritaetskampagne zu chile. in chile hatte salvador allende als kandidat der »unidad popular«, eines linken wahlbuendnisses, im september 1970 die wahlen gewonnen. nach seinem amtsantritt fuehrte er sofort laengst ueberfaellige soziale reformen durch - wie z.b. die kostenlose verteilung von lebensmitteln oder schulbuechern an beduerftige, die verstaatlichung wichtiger industriebetriebe und den aufbau eines umfassenden gesundheitswesens.

die internationalen konzerne und die westlichen regierungen reagierten mit einer wirtschaftlichen blockade und materieller unterstuetzung der rechten parteien. 1970 fiel der oberkommandierende der chilenischen armee, general schneider, einem attentat zum opfer, nachdem er sich geweigert hatte, die regierung allende durch einen militaerputsch zu stuerzen. aus den im maerz 1972 von einem amerikanischen journalisten veroeffentlichten »itt-papieren«, geht hervor, dass der us-konzern itt zusammen mit der cia und fuehrenden chilenischen unternehmen aktiv an den putsch-plaenen gegen die regierung allende und an der ermordung schneiders beteiligt war.

trotz einer verschaerfung der wirtschaftlichen lage in chile gewann die unidad popular im maerz 1973 die parlamentswahlen, am 11. september 1973 putschte - mit tatkraeftiger unterstuetzung der cia - das chilenische militaer. in den folgenden monaten wurden mehr als 30.000 chileninnen ermordet, tausende ins exil gezwungen.

der putsch loeste unter der deutschen linken eine breite solidaritaet aus. chile-komitees wurden gegruendet, die oeffentlichkeit ueber die situation in chile herstellten und versuchten, die aufnahme politischer fluechtlinge in der brd durchzusetzen. neben dem entsetzen ueber das massaker an oppositionellen wurde am beispiel chiles deutlich, dass ein friedlicher uebergang zum sozialismus von den regierungen der imperialistischen laender und den multinationalen konzernen mit allen mitteln verhindert werden wuerde.

palaestina

am 14. mai 1948 wurde der staat israel gegruendet, nachdem die uno-vollversammlung im jahr zuvor die teilung des ehemaligen britischen mandatsgebietes in einen juedischen und einen palaestinensischen staat beschlossen hatte. bereits einen tag nach staatsgruendung begann der erste israelisch-arabische krieg, in dem das israelische militaer den sieg davontrug. mehr als 900.000 palaestinenserinnen fluechteten in die arabischen nachbarlaender, nach dem »6-tage-krieg« im juni 1967 kamen nach der besetzung des westjordan-ufers und des gaza-streifens durch die israelische armee weitere 350.000 fluechtlinge hinzu.

in den fluechtlingslagern und den besetzten gebieten gruendeten sich verschiedene palaestinensische befreiungsbewegungen, die sich im juni 1964 in der palaestinensischen befreiungsorganisation (plo) zusammenschlossen. 1968/69 gewannen innerhalb der plo die fatah und die pflp (volksfront zur befreiung palaestinas) die mehrheit. sie vertraten eine antiimperialistische und antizionistische politik, und loesten die traditionellen palaestinensischen eliten ab.

nach dem »6-tage-krieg« waren die palaestinensischen fluechtlingslager in jordanien zur basis der widerstandsbewegung geworden, hier befand sich auch die politische und die militaerische fuehrung. als sich der jordanische koenig hussein in seiner macht bedroht sah, kam es zu bewaffneten auseinandersetzungen zwischen den palaestinensern und der jordanischen armee. im september 1970 griff die militaerisch ueberlegene armee die palaestinensischen fluechtlingslager an, mehr als 20.000 palaestinenserinnen verloren dabei ihr leben. die kaempfe dauerten noch bis zum juli 1971 an, dann musste sich die plo geschlagen aus jordanien zurueckziehen.

um das schweigen der »weltoeffentlichkeit« zu dem massaker in jordanien, der vertreibung der palaestinenser aus israel und dem elend in den fluechtlingslagern zu durchbrechen, entfuehrten kommandos der pflp im sommer 1970 mehrere flugzeuge. sie begruenden ihre aktionen mit den worten: »in der heutigen welt ist niemand unschuldig, ist niemand neutral. entweder man steht auf der seite der unterdruecker oder auf der seite der unterdrueckten.«

im herbst 1971 gruendete sich die organisation »schwarzer september«, die mit ihrem namen an das massaker in den fluechtlingslagern in jordanien vom september 1970 erinnern wollte. ein kommando des schwarzen september nahm bei den olympischen spielen in muenchen am 5. septmeber 1972 mitglieder der israelischen olympia-mannschaft als geiseln und forderte die freilassung von 200 palaestinensern aus israelischer gefangenschaft. wie schon mit den flugzeugentfuehrungen zuvor verfolgten sie mit der geiselnahme auch das ziel, vor der in muenchen versammelten internationalen presse auf die lage und den befreiungskampf der palaestinenser aufmerksam zu machen. die aktion endete in einem blutbad. entgegen der zusage des damaligen bundesinnenministers genscher auf freien abzug, wurden das kommando und die geiseln zum militaerflughafen fuerstenfeldbruck geflogen, wo scharfschuetzen das feuer eroeffneten. alle israelischen geiseln und fuenf der acht mitglieder des kommandos wurden getoetet.

einen monat spaeter wurden die palaestinensischen organisationen gups (generalunion der palaestinensischen studenten) und gupa (generalunion der palaestinensischen arbeiter) in der bundesrepublik verboten.

innerhalb der deutschen linken begann in den jahren 1969/70 eine auseinandersetzung und solidarisierung mit den palaestinensern. die naehe zu den politischen positionen der al fatah und der pflp fuehrten zu einer praktischen zusammenarbeit, deutsche linke reisten - zum teil zu militaerischer ausbildung - in palaestinensische fluechtlingslager und knuepften engere verbindungen zwischen der deutschen linken und den palaestinensischen organisationen.

waehrend die westlichen regierungen israel zum »bollwerk gegen die araber« und zum politischen und militaerischen stuetzpunkt im nahen osten ausbauten, begriff sich die linke zunehmend als antizionistisch und warf israel »faschistische methoden« vor. antizionismus und die solidarisierung mit dem befreiungskampf der palaestinenser wurden zu einem wichtigen bezugspunkt der deutschen linken.

auch die westdeutschen stadtguerilla-gruppen (raf, rz und 2. juni) arbeiteten mit palaestinensischen und anderen arabischen organisationen zusammen bzw. unterstuetzen deren aktionen. im jahre 1972, nach dem blutbad in fuerstenfeldbruck/olympische spiele erklaerte die rote armee fraktion: »die aktion des schwarzen september in muenchen hat das wesen imperialistischer herrschaft und des antiimperialistischen kampfes auf eine weise durchschaubar und erkennbar gemacht wie noch keine revolutionaere aktion in westdeutschland und westberlin. sie war gleichzeitig antiimperialistisch, antifaschistisch und internationalistisch.«

die revolutionaeren zellen

im november 1973 zeichneten erstmals revolutionaere zellen fuer eine bewaffnete aktion. ihr konzept baute auf der organisierung in autonomen zellen auf, einer »gegenmacht in kleinen kernen«, die gleichzeitig teil der - legalen - politischen massenarbeit sein sollten. ziel war eine verbreiterung ihrer politik, bis im verlauf eines »langwierigen kampfes« bei einer erwarteten verschaerfung der gesellschaftlichen widersprueche die stadtguerilla als massenperspektive geschaffen sei.

in ihren ersten aktionen spiegeln sich die politischen positionen der deutschen linken wider. im »revolutionaeren zorn nr.1« vom mai 1975 unterteilen sie ihre anschlaege in drei bereiche:

    • antiimperialistische aktionen

    • antizionistische aktionen

    • aktionen, die die kaempfe von arbeitern, jugendlichen und frauen unterstuetzen.


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