die wirkliche integration unserer erfahrungen muesste auch deren widersprueche mit einbeziehen. heuchlerische muster muessten als solche erkannt werden. fuersorge zum beispiel, die nur darauf abzielt, andere abhaengig zu machen und sie unter die eigene kontrolle zu bringen, duerfte nicht weiter als "liebende" fuersorge gesehen werden. aber die meisten von uns sehen sie so! genau das ist der grund, warum sich ein schizophrener nicht mit einer welt identifizieren kann, die er als heuchlerisch und moralisch unglaubwuerdig empfindet. seine gefuehle und sein denken sind gespalten, weil anders zu sein fuer ihn bedeuten wuerde, sich dem zu unterwerfen, was er als unmenschlich empfindet: hass, unterdrueckung und kontrolle, die als liebe ausgegeben werden.

die spaltung der schizophrenen ist der versuch, die einheit des fuehlens zu erhalten, also den kontakt zur inneren welt. ihr "wahnsinn" ist der protest gegen eine aufgesetzte und aufgezwungene "einheit", die tatsaechlich keine ist. wenn zum beispiel mitgefuehl eingesetzt wird, um einen anderen zu bemitleiden, um sich ueberlegen zu fuehlen oder um ihn einfach nur herabzuwuerdigen, kann der schizophrene keine einfuehlung zeigen. er wird da lachen, wo wir, die angepassten, eine liebevolle oder besorgte reaktion erwarten. dementsprechend wird ihm diagnostiziert, dass er keinen bezug zur realitaet habe und gespalten sei.

es stimmt, dass sich der schizophrene in eine innere sphaere zurueckzieht. aber er tut dies, weil er nur dort in der realitaet wirklicher gefuehle sein kann, die der realismus leugnet. ungluecklicherweise fuehrt sein versuch, die integration zu erhalten, indem er sich von der aeusseren welt abspaltet, zu einer reduktion seines lebens und zum seelischen tod. ein solcher mensch versucht, sich durch einen prozess der nicht-identifikation zu entfernen von einer welt, die er als leer und falsch erfahren hat. so endet der schizophrene damit, dass er nicht in unserer realitaet lebt.

um aber dahin zu kommen, musste er diese realitaet in all ihren widerspruechen schmerzlicher erfahren haben als wir. solche menschen haben nicht von anfang an eine falsche wahrnehmung der realitaet - sie muessen urspruenglich alles ueber sie gewusst haben-, sie koennen vielmehr, gerade weil sie der wahrheit so nahe sind, den betrug einer nur vorgetaeuschten menschlichen integritaet nicht mitmachen. krank wurden sie erst, weil sie sich bemuehten, mit ihrem innenleben in verbindung zu bleiben. in dieser realitaet stuerzen sich die anderen, die "gesunden", um von dem, was in ihrem interesse ist, nichts wahrnehmen zu muessen. in einem tiefen sinn treibt den schizophrenen das beduerfnis, die integration zu erhalten, waehrend das beduerfnis des "normalen" die spaltung ist.

fuer jene, die in das erscheinungsbild "normalen" verhaltens hineinschluepfen, weil sie die spannung der widersprueche zwischen der uns aufgelegten realitaet und ihrer inneren welt nicht ertragen, fuer solche menschen gibt es bald keine wirklichen gefuehle mehr. statt dessen gehen sie mit ideen von gefuehlen um, haben keine erfahrung mehr mit ihnen. sie praesentieren aufgesetze gefuehle als ihre eigenen und sagen sich von ihren wahren gefuehlen los. je "gesuender" das image ihrer identitaet, das sie angenommen haben, desto erfolgreicher werden sie die manipulation vollziehen koennen. und es ist manipulation, da ihr ziel nicht der ausdruck ihrer selbst ist, sondern sie den anderen davon ueberzeugen wollen, dass sie angemessen handeln, denken und fuehlen. dies sind die menschen, die ich als die wirklich wahnsinnigen unter uns zeigen moechte.

sie bringen uns alle in gefahr, weil sie dem chaos, der wut und der leere, die in ihnen ist, nicht ins gesicht sehen koennen. waehrend der schizophrene in einer von ihm als widerspruechlich und quaelend boese erlebten welt den zentralen gefuehlskern aufrechterhaelt, dass wirkliche liebe gueltigkeit hat, ist bei denen, die den wahnsinn ueberspielen, die jagd nach macht der einzige weg, das bedraengende innere chaos und die innere zerstoerung abzuwehren. um die leere nicht als die eigene innere leere anerkennen zu muessen, schaffen sie zerstoerung und leere um sich herum. das paradox des schizophrenen ist, dass er seinen inneren kern zu schuetzen versucht, indem er ihn versteckt. dies muss scheitern, weil das selbst nur leben kann im lebendigen austausch, und darum bezahlt der schizophrene diesen versuch nur allzu oft mit dem vollstaendigen verlust von vernunft, logik und kommunikation. er fuegt sich selbst zu, was ihm die welt zugefuegt hat. er will nicht mehr liebenswert sein, um die mitmenschen davor zu bewahren, sich fuer seinen zustand schuldig fuehlen zu muessen. die aber, die dem wissen um ihren inneren zustand entkommen moechten, zwingen den mitmenschen ihre "ordnung" auf und damit ihre art, wie sie mit sich selber umgehen.

waehrend die schizophrenen selbst reduzieren, um sich vor entdeckung zu schuetzen, haben die anderen ein umgekehrtes verfahren: sie reduzieren nicht sich, sondern die realitaet, indem sie die widersprueche und die daraus erwachsenden aengste verneinen. ihre art zu leben besteht darin, dass sie diese reduktion verteidigen und die inneren aengste verleugnen. sie klammern sich an diese reduzierte realitaet und bestehen darauf, dass diese das ganze erleben repraesentiert. ihr selbst folgt dann willig den ideen, die a priori festlegen, was unser sein ist, und gruendet sich nicht auf den wechselwirkungen zwischen dem taeglichen sein und der uns umgebenden welt, in die wir eingebettet sind. ihr bewusstsein spiegelt somit nicht die integration des einzelnen mit der aeusseren realitaet, sondern das beduerfnis, diese realitaet zu erobern.

so kommt es, dass ein bewusstsein, das nur ideen gehorcht, das also nicht das freie spiel der gefuehle im erleben von freude und schmerz kennt, sich versklavt und destruktiv wird. in dem mass, in dem wir uns den ideen ueberlassen, werden wir das fuer gefuehle halten, was tatsaechlich nur eine vorstellung von dem ist, was wir meinen, dass wir fuehlen sollten. und in gleicher weise glauben wir zu denken, waehrend unsere gedanken in wahrheit nur die scheinlogische einkleidung rachsuechtiger und destruktiver gefuehle sind. die "wissenschaftlichen" theorien vom "lebensunwerten leben" der behinderten in der zeit des dritten reiches sind dafuer ein extremes beispiel.

dieses dilemma haengt eng mit der moeglichkeit zusammen, unser denken und fuehlen voneinander zu trennen, die in der uns allen gemeinsamen entwicklung begruendet ist. wir halten etwas fuer eine funktion unseres denkens, was in wahrheit eine funktion unserer gefuehle ist und umgekehrt.

neigen wir erst einmal zur trennung von denken und fuehlen, also zur entfernung von den wurzeln unserer gefuehle, so besteht die schwierigkeit darin, dass wir nicht mehr in der lage sind, diesen vorgang zu sehen. aufgrund unserer entwicklung werden wir bestrebt sein, uns nicht so zu sehen, wie wir sind, sondern so, wie wir meinen, dass wir gesehen werden sollten. es werden image und wirkliches sein nicht isomorph sein, das heist, sie werden sich nicht entsprechen. und wenn sie sich nicht entsprechen, wird dieser widerspruch der inneren realitaet staendige quelle von angst sein. die angst wiederum wird die abspaltung verstaerken. ein beispiel: das image von staerke steht im widerspruch zum mitgefuehl, das wir fuer das leid eines anderen haben, denn mitgefuehl wird mit schwaeche gleichgesetzt. dieser widerspruch bedroht uns mit dem zusammenbruch, und die angst davor zwingt uns erst recht, auf unsere gefuehle zu "verzichten".

dieser vorgang laesst sich auch auf andere art beschreiben: die vorstellung, dass herrschaft staerke ist und hilflosigkeit schwaeche, ist unterschiedlich verbreitet - aber sie sitzt tief in uns allen. wir halten diese vorstellung fuer eine grundsaetzliche gegebenheit unserer natur. doch die gefuehle, die wir ueber herrschaft und hilflosigkeit haben, stimmen nicht ueberein mit jenen ganz natuerlichen gefuehlen waehrend unserer fruehkindlichen entwicklung, als wir gefuettert und von den schuetzenden armen der mutter gehalten wurden. wenn wir spaeter hilflosigkeit und herrschaft als schwaeche und staerke spueren, sind solche gefuehle im grunde nur funktionen und denkvorgaenge, nicht aber funktionen unserer eigentlichen natur und erfahrung. diese denkvorgaenge treten in einer bereits reduzierten realitaet auf, die ihrerseits von der unfaehigkeit, gefuehle zu ertragen, bestimmt ist. also wiederum ein vorgang, dem spaltung innewohnt.

in allererster linie trennt die unfaehigkeit, gefuehle zu ertragen, das denken vom fuehlen. dies ist, obwohl es als das charakteristikum schizophrenen verhaltens gilt, die wirklichkeit von uns "normalen" und nicht die des schizophrenen. in seinem fall ist die spaltung ausdruck der verweigerung, aufgesetze und heuchlerische gefuehle hervorzubringen. denn es ist nicht so, dass der schizophrene die wirklichen gefuehle von schmerz, kummer, verzweiflung oder freude nicht ertragen koennte. er weigert sich nur, mit ihrer verzerrung zu leben. wenn aber "normale" menschen etwa hilflosigkeit nicht ertragen, dann brauchen sie entlastung durch eine "realitaet", die solches erleben verachtet und die verleugnet, dass dem erleben von hilflosigkeit eine kraft innewohnt, die zu wirklicher staerke fuehrt.

diese realitaet legt zwangslaeufig - als zeichen der staerke - besonderen wert auf die eroberung dessen, was ausserhalb der grenzen des eigenen selbst liegt. so kommt es zu einer truegerischen inbesitznahme der eigenen seele. eugene o'neill sprach einmal von einem scheitern der USA, da sie immer darauf gerichtet seien, etwas ausserhalb ihrer selbst zu besitzen, um in den besitz der eigenen seele zu kommen. dadurch wuerden sie aber beides verlieren: die eigene seele und das eroberte. martti siirala hat den gleichen vorgang auf der individuellen ebene beschrieben, wenn er vom "halluzinierten besitz der realitaet" als kernerfahrung des angepassten menschen sprach.

eroberung und macht dienen dazu, sich selbst zu bestaetigen, man sei in seinen gefuehlen. macht und alles, was sich daraus ableitet, scheinen aber nicht nur das gefuehl des lebendigseins zu geben, sondern sie vermitteln auch einen falschen begriff von der menschlichen natur, wodurch diese wiederum veraendert wird. wenn naemlich der mensch durch sein "denken" und durch seine unterwerfung unter das diktat des denkens (die innere logikdes denkens laesst keine korrektur zu, solange die wahren gefuehle und erlebnisse abgetrennt sind) von seinem inneren abgespalten bleibt, wird er nicht nur fortwaehrend in seiner autonomie verletzt, sondern es werden auch wut und gewalttaetigkeit entstehen. das einzig authentische in einem solchen zustand unechten fuehlens ist die wut. aber sie wird verleugnet, wird unerkannt bleiben, weil das, was die wahrheit ermoeglichen wuerde - die wirklichen gefuehle -, die ideologie der ausgedachten gefuehle bedroht.

die spaltung des bewusstseins ist ganz offensichtlich ein zentraler organisator vieler psychischer strukturen. das abspalten der fruehesten erfahrungen macht nicht nur das erleben der inneren ganzheit unmoeglich, sondern gibt auch das modell ab fuer den umgang mit gefuehlen der hilflosigkeit und schwaeche. wenn man den eigenen schmerz nicht mehr in seiner bedeutung wahrnehmen kann, dann fehlt auch die uebung im umgang mit hilflosigkeit, mit schwaeche, mit ohnmacht. hilflosigkeit wird darum zur ueberwaeltigenden bedrohung, gegen die man sich durch machtbesitz wappnen muss. gelingt dies nicht, so wird die erfahrung der hilflosigkeit sehr rasch verlagert auf ein halluziniertes ereignis, und dieses wird zur ursache erklaert. wenn sonst scheinbar normale menschen ganz ueberraschend psychotisch reagieren mit blindwuetiger zerstoerung, und zwar dann, wenn ihr selbstwertgefuehl verletzt wird - zahllose beispiele dazu gibt es im krieg oder bei beruflichem versagen -, laeuft ein solcher vorgang ab.

der mensch kann nicht leben ohne vertrauen. vertrauen aber gewinnt er durch liebende zuwendung. saeuglinge und kleinkinder koennen ohne zuwendung apathisch werden, dahinsiechen oder sogar staerben. selbst wenn es das erlebnis des geliebtwerdens - in welcher form auch immer - nur einmal gegeben hat, liegt es in der natur unserer phantasie, dass wir die nachfolgende leere selbst ausfuellen koennen - mit dem ziel, das lebensnotwendige gefuehl einer verbindung mit der mutter aufrechtzuerhalten. Wenn aber solche phantasien unter ausklammerung der schmerzlichen erfahrungen aufgebaut werden, dann gruendet sich das selbst auf macht und eine reduzierte seelische basis.

der amerikanische psychater harry stack sullivan wies einmal darauf hin, dass eine positive erfahrung genuege, um in einem menschen die ueberzeugung entstehen zu lassen, er brauche nur das zu finden, was das "richtige" zu tun sei, dann wuerde sich die gewuenschte erfahrung wiederholen. hierbei spielt die phantasie natuerlich eine entscheidende rolle: soe spendet nun jene lebenserhaltende troestung, die nicht mehr aus der realitaet geschoepft werden kann. das ist einer der wege, auf denen der mensch "ueberbrueckt". es gehoert zu den tiefsten verzweiflungen des menschen, mit dem verlust von liebe leben zu muessen. kinder koennen nicht in dem bewusstsein leben, dass ihre beduerfnisse und wahrnehmungen abgelehnt oder verneint werden - es sei denn, die seelische struktur aendert sich so weit, dass am ende die wahren beduerfnisse geleugnet werden koennen.

um seine inneren beduerfnisse zu verleugnen, muss das kind sie ganz oder teilweise abspalten. dies impliziert eine grundlegende verdrehung. um nicht wahrnehmen zu muessen, dass vater und mutter ihm schmerzen zufuegen und es in verzweiflung stuerzen, sucht das kind die ursache in sich selbst. die tragoedie, die zur unterwerfung des kindes fuehrt, liegt nicht nur darin, dass es seine innere welt abspaltet. es muss darueber hinaus - um die verbindung zu mutter und vater aufrechtzuerhalten, die ihm das leben ermoeglichen - den liebesmangel als etwas empfinden, das von einem defekt in ihm selbst kommt. es wird darum ringen, die eltern "umzustimmen", und es wird dabei immer versuchen, den fehler in sich selbst zu finden. so nimmt das kind die vermeintliche schuld an dem lebensmangel, den es spuert, auf sich und beginnt ein lebenmit traeumen und phantasien, die das beduerfnis nach macht schueren, um diesen "fehler" zu ueberwinden.

wenn sich ein kind den rahmen, den ihm der elterliche wille gesteckt hat - er ist davon bestimmt, wie die eltern das kind sehen -, anpassen kann, dann wird diese anpassung eine strategie des ueberlebens sein. es wird die vorgaenge in seinem inneren beiseite schieben, seine eigenen beduerfnisse, erwartungen und wahrnehmungen missachten und wird sein leben auf dem aufbauen, was ausserhalb seiner selbst ist. dabei veraendert sich auch das bild der realitaet in anpassung an die scheinbare kohaerenz einer welt der unechten gefuehle. deshalb entwickelt sich das selbst des kindes ohne wahrnehmung von schmerz und tod, gleichzeitig widmet es sich aber, ohne es zu wissen, dem schmerz und dem tod.

der zentrale punkt in der seelischen entwicklung des menschen liegt in der frage, welche der beiden grundlegenden entwicklungsmoeglichkeiten gewaehlt werden: die nach aussen oder die nach innen. die entwicklung nimmt die richtung zum inneren, wenn sie von einer liebe begleitet ist, die dem kind die moeglichkeit gibt, hilflosigkeit als etwas zu erleben, womit es nicht alleingelassen wird. wird das erleben von hilflosigkeit auf diese weise eingebettet, so wird es nicht als voellige verlassenheit oder verurteilung empfunden, sondern als ausgangspunkt der erfahrung, dass man nicht zerstoert wird, sondern durch schmerz und leid hindurch zu neuer kraft findet. diese erfahrung fuehrt zur entwicklung eines selbst, das hilflosigkeit nicht als toedliche bedrohung empfindet, sondern als die moeglichkeit zu neuer integration und damit zur moeglichkeit, immer wieder neu zu beginnen.

die andere richtung, die nach aussen fuehrt, spaltet das erlebnis der hilflosigkeit ab, leugnet die innere welt und unterwirft sich einem leben im sinne einer ordnung, die von aussen kommt: mit beduerfnissen und wahrnehmungen eines ausgedachten lebens, in dem grundsaetzlich den anderen - erst den eltern, spaeter der schule, der gesellschaft, dem staat - die befehlsgewalt eingeraeumt wird. der verleugnete schrecken der hilflosigkeit - als toedliche gefahr erlebt - wirkt aber fort und wird zu einer dem einzelnen nicht bewussten motivation seines lebens. innen und aussen sind lebensdimensionen fuer uns alle. sie koennen aber auch zu unvereinbaren gegensaetzen werden. ob diese dichotomie eintritt, entscheidet darueber, ob wir ein voll verantwortliches leben fuehren oder nicht, ob wir uns selbst und das leben ebejahen oder ob wir uns der destruktivitaet und dem hass auf das leben ergeben, die verantwortung aber immer anderen zuschieben.

die klassische psychoanalyse betont die allgegenwart eines angeborenen egoistischen luststrebens. damit hat sie die spaltung nicht nur verschleiert, sondern auch gefoerdert. diese betonung laesst uns die lebendigkeit des kindes fuerchten, denn die psychoanalyse hat diese gleichgesetzt mit einem angeblich vorhandenen hang zur omnipotenz und egoistischem streben nach schrankenloser lust.

damit hat sich die psychoanalyse, wohl ohne es zu beabsichtigen, auf die seite angemasster autoritaeten und gegen das kind kind gestellt. dies ist paradox, aber spiegelt nichts weiter, als dass wir alle an die eigene vergangenheit gekettet sind, freud davon nicht ausgenommen, der in seinem ganzen denken und arbeiten das kind in den mittelpunkt stellte. aarne siirala hat das sehr gut beschrieben: "die von freud angefuehrte therapeutische bewegung schuf eine rueckbindung an den ausgangspunkt menschlichen lebens und wachsens; von dieser basis ist der mensch entfremdet durch seine anstrengung, alles in die hand zu bekommen und die realitaet unter kontrolle zu bringen im rahmen der industriellen gesellschaft."

wird das libidoese streben nach lust beim kind behandelt, als sei das die hauptfrage seiner entwicklung, so wird seine sozialisation als ein bollwerk gegen seine "instinktiven" triebe gesehen und nicht als ein natuerlicher wachstumsprozess, der sich aus sich selbst weiterentwickelt. sieht man die triebe im grundsaetzlichen widerspruch zur sozialen entwicklung, muss die menschliche natur zwangslaeufig als negativ und destruktiv erscheinen. eine so gesehene sozialisation spiegelt nichts anderes als die eingefahrene sicht menschlicher beziehungen als eine frage der machtverhaeltnisse. so wird behauptet, das kind moechte zu macht und allmacht gelangen, aber der erwachsene muesse dies im namen des "realitaetsprinzips" verhindern. um dem kind den rechten realitaetsbezug zu vermitteln, um ihm zur anpassung zu verhelfen, muesse es dazu gebracht werden, seine triebe zu "beherrschen". dies bedeutet, dass es seine beduerfnisse als stoerend erlebt. so lernt das kind, dass es geliebt wird, wenn es sich erfolgreich dem willen der eltern unterwirft. und etwas beherrschen heisst dann fuer das kind, die eigenen beduernisse zurueckzustutzen oder zu "sublimieren", statt sie im austausch mit der umwelt zu entwickeln, und seinen gefuehlen zu misstrauen. die psychoanalyse hat den grundlegenden psychischen konflikt angesiedelt zwischen dem trieb und den anforderungen der kultur. das "lustprinzip" musste durch das "realitaetsprinzip" in schach gehalten werden. und so wurde sozialitaet zu einer funktion kulturell entwickelter werte, die nun einmal in einem grundsaetzlichen widerstreit zur immerwaehrenden menschlichen natur laegen.

mit grossem mut hat freud die verbindung des individuums mit seiner eigenen geschichte neu grknuepft, aber doch nur teilweise wieder hergestellt, da er - ein kind seiner zeit - zurueckschrak vor dem potential fuer menschliche autonomie, das in der analyse der kindheit haette sichtbar gemacht werden koennen. darum hat er seine klinischen befunde zum teil falsch interpretiert. heute koennen wir das besser verstehen, wenn wir davon ausgehen, dass autonome bestrebungen die neugierde haben, sich zu verbergen, sich hinter symptomen pathologischen andersseins zu verstecken.

natuerlich wiesen freuds patienten die von ihm beschriebenen formen von autoerotischer fixierung auf, sichtbar durch und in ihrer sozialen isolation, wenn sie sich nur mit sich selbst zu beschaeftigen schienen, zum beispiel unablaessig onanierten. freud aber hielt diese entwicklung fuer die tatsaechlichen formen der triebstruktur nicht nur seiner patienten, sondern darueber hinaus fuer die des menschlichen lebens schlechthin. er uebersah das folgende: wenn ein saegling daran gehindert wird, seine persoenlichkeit durch selbststaendige reaktionen auf die elterliche fuersorge zu entwickeln, dann entwickelt er sich in abhaengigkeit, und das ausagieren oraler, analer und genitaler fixierungen wird zur einzigen moeglichkeit des selbstausdrucks. die fixierung des kindes an die "partialtriebe", die ein kunstprodukt der gesellschaft sind, und seine angeblichen machtkaempfe zur durchsetzung dieser "trieb"-ansprueche sind nicht ausdruck einer angeborenen triebstruktur, sondern der faehigkeit des kindes, die eltern genau mit dem zu konfrontieren, wovor sie am meisten angst haben. die erwartungen und aengste der eltern sind es, die den schluessel zu dieser art entwicklung liefern, und nicht die instinkte des kindes, die man ihm unterstellt.

die triebtheorie, die freud aufgrund der beobachtungen an seinen patienten entwickelte, betrachtet die "instinkte" als grundsaetzlich sozial negativ. man koennte die symptome aber viel ueberzeugender interpretieren, naemlich als ausdruck des menschlichen strebens nach autonomie, das gleichsam in den untergrund gegangen ist. erst wenn einer ein so schlechter mensch oder ein so schlechtes kind geworden ist, wie eltern, schule, gesellschaft insgeheim von ihm erwarten - also genau das entwickelt, was ihm mit zwangsmitteln ausgetrieben werden soll -, erst dann kann er sich ausserhalb der reichweite der autoritaeten fuehlen. ganz in diesem sinne eroeffnete mir einmal ein patient: "sie koennen mich nicht erreichen, wenn ich mich so verhalte, wie sie es haben moechten." indem er vorwegnahm, was der andere - in diesem fall der therapeut - dachte und wollte, blieb er selbst "frei". er musste nicht sich selbst in seine handlungen einbringen, da er nur das tat, was andere von ihm erwarteten. man konnte ihn nicht erreichen, weil er seinen eigenen willen nicht preisgab. das gab ihm die illusion von freiheit. er hatte nur eine einzige quelle der "genugtuung": die heimliche verachtung derer, die sein gutes benehmen fuer echt hielten. und diese verachtung wiederum wurde direkt gespeist von seinem selbsthass, der aus der taeglichen unterwerfung seiner eigenen moeglichkeiten unter den willen anderer resultierte.

die wirkliche autonomie, die echten beduerfnisse nach naehe und das beduerfnis, die welt mit eigenen augen zu sehen, werden aufgegeben zugunsten von abhaengigkeit. diese hat zwei aspekte. einmal: "ich bin so hilflos und abhaengig, wie du mich haben moechtest. deshalb musst du mich immer fuehren und mich korrigieren, ich habe ja keinen eigenen willen." mit dieser unterwerfung, die weitgehend unausgesprochen und oft voellig unbewusst ist, nimmt man zugleich rache. man besteht auf der fuersorge und auf der abhaengigkeit sowie darauf, dass sich nichts aendert. und noch etwas entscheidendes kommt hinzu: dies ist die methode, nie sich selbst verpflichtet sein zu muessen, denn man folgt nur befehlen.

gehorsam wird dann zum eigentlichen sinn des lebens. es sei an die kriegsverbrecher erinnert, die diese entschuldigung oft vorbringen. sie sollten uns endlich die augen oeffnen fuer die wahre bedeutung jeder art von gehorsam. unter dem deckmantel des befehls geschahen alle arten von grausamkeiten und mordtaten, ohne dass einer die verantwortung dafuer hat uebernehmen muessen. in einem gewissen sinn ist diese entschuldigung sogar richtig: die eigene seele hatte nichts damit zu tun, sie wurde ausser reichweite dessen gehalten, dem man gehorsam war. dieser trug schliesslich die verantwortung. unter dieser vorrausetzung faellt es solchen menschen auch nicht schwer, die herren zu wechseln.

nicht selbst die verantwortung zu tragen ist bestandteil der grundluege. sie verdeckt, was die urspruengliche entscheidung - die lebensentscheidung - war: naemlich sich mit der unterwerfung abzufinden und sein inneres leben aufzugeben, um an der macht zu partizipieren. an genau diesem punkt faellt die entscheidung darueber, ob ein mensch selbstverantwortung und die verantwortung anderen gegenueber entwickelt. dieser punkt bleibt im dunkeln, wenn man nur die verschiedenen formen gesellschaftlicher repression namhaft macht, das menschliche sein nur in einem reiz-und-reaktions-schema sieht und die moeglichkeit der autonomie ausser acht laesst.

der zweite aspekt der abhaengigkeit: wenn das kind den schlimmsten befuerchtungen seiner eltern entspricht, entzieht es sich zwar ihren forderungen, unterwirft sich aber ihren grossenteils unartikulierten negativvorstellungen. dabei kann es sich rachsuechtig im recht fuehlen, wenn es fuer ungehorsam gehalten wird. schliesslich hat es doch genau beachtet, was die eltern "wirklich" wollten - und nun lehnen sie dieses verhalten ab!

diese art der negativen abhaengigkeit bringt die formen der triebfixierung hervor, von denen freud sprach. es kommt zu einem illusionaeren gefuehl der "unabhaengigkeit", zu einem gefuehl, dass man sich selbst in der hand habe. masturbation, uebermaessiges essen, verweigerung von essen und anderes extrem selbstbezogenes verhalten sind verhaltensmuster, die sugerieren, man sei herr der eigenen stimulation. solche zwaenge treten dann an die stelle eines echten lebens. sie naehren die illusion der unabhaengigkeit und taeuschen ueber die tatsaechlich fortbestehende abhaengigkeit hinweg, gegen die sie verzweifelt, aber wirkungslos rebellieren.

das hauptproblem der psychoanalyse liegt darin, dass sie mit ihrer theorie der unvereinbarkeit von triebanspruch und kulturentwicklung selbst den verzerrungen einer kultur zum opfer fiel, die im namen der liebe die preisgabe der autonomie erzwingt. wenn sie die folgen dieser verzerrung - oralitaet und abhaengigkeit - als fundamentale lebenstriebe ausgibt, verschleiert die psychoanalyse nicht nur die gesellschaftlichen prozesse, die zur seelischen spaltung fuehren, sondern leistet ihnen vorschub. so geben sich viele therapeuten in der praxis mit den schatten von leben, aber nicht mit dem leben selbst ab. statt ihren patienten zu ihrer eigenen wahrheit zu verhelfen, die diese erkannt haben, jedoch ohne die kraft, sie auszuhalten, legen sie sie auf fiktive krankheiten fest.

ist unser blick jedoch nicht getruebt von solchen vorurteilen ueber die kindliche entwicklung, koennen wir sehen, dass kinder ganz offensichtlich von geburt an die faehigkeit zu integrativer, also nicht gespaltener annaeherung an die welt haben. man findet bei saeuglingen und kleinkindern nicht von vorneherein allmachtsgefuehle - es sei denn, wut und verzweiflung ueber unangemessene reaktionen auf ihre legitimen beduerfnisse werden als solche interpretiert: erst so entstehen tatsaechlich machtkaempfe - der erwachsene erwartet sie.

das kleinkind ist nicht von autoerotischen beduerfnissen getrieben, sondern es sucht nach den stimulierenden reizen, auf die es waehrend seiner uterinen existenz im austausch mit seiner mutter vorbereitet wurde. seine beduerfnisse und erwartungen entwickeln sich in der folge dieser fruehesten wechselbeziehungen. diese fruehen verhaltensmuster kennzeichnet vor allem die niedrige intensitaet der stimulation. daher richtet der saeugling von anfang an sein bestreben darauf, neue quellen der stimulation zu finden, und zieht seine befriedigung nicht - wie es die psychoanalyse gerne moechte - daraus, alte stimulationssituationen zu verewigen. ich moechte noch hinzufuegen, dass die vorgaenge, die das leben aus biologischer sicht erhalten, auf niedrigen stimuluswerten basieren. zu starke reize fuehren dazu, dass annaeherung an die reizquelle gemieden oder unterbrochen wird. der groesste teil der psychoanalytischen theorie baut auf stimuluvermeidung auf (beseitigung von unlustgefuehlen und vermeidung von gefahr). deswegen auch versagt sie als unioversaltheorie der menschlichen psyche.

wo wir zwanghaften verhaltensmustern der selbststimulierung begegnen - eine extremform ist die weltverweigerung des autismus -, handelt es sich nicht um ein steckenbleiben in natuerlichen entwicklungsstadien, sondern um fehlentwicklungen. der rueckzug in die selbststimulierung und die formen omnipotenten verhaltens sind ausdruck eines versagens im prozess der entwicklung zur autonomie. sie sind nicht ausdruck einer angeborenen und universalen tendenz, vor der der mensch durch die zwaenge der sozialisation bewahrt werden muesste. die annahme von natur aus asozialer universeller triebe verschleiert, dass die triebe nicht die bestimmenden faktoren der entwicklung, sondern selbst bereits ausdruck von problemen in der entwicklung sind. der triebbegriff als erklaerungsmodell hat die erkenntnis verhindert, dass der kampf um die autonomie das kernproblem der kindlichen entwicklung ist.

autonomie als integrierende kraft selbstgesteuerter persoenlichkeitsentwicklung hat nichts zu tun mit vorstellung der eigenen wichtigkeit oder einzigartigkeit. solche vorstellungen leiten sich von einer ideologie des selbst ab, die bewusst oder unbewusst dem prinzip von kontrolle und beherrschung anderer als quell des eigenen selbstwertes folgt. sogar der rebell, den sein ungestilltes verlangen nach liebe in militante opposition treibt, bleibt in dieser ideologie des falschen selbst bfangen. denn er missversteht autonomie als "freiheit", beweise fuer staerke und ueberlegenheit zu liefern. es ist nebensaechlich, ob die form dieser beweise im widerspruch oder im einklang mit den sozialen normen steht. entscheidend ist der zwang zur anhaltenden und ungehemmten selbstbestaetigung. und dies ist ein kriegsaehnlicher zustand, der weit entfernt ist von der faehigkeit, das leben zu bejahen.

autonomie, wie ich sie verstehe, ist ein ganzheitlicher zustand, in dem sich die faehigkeit verwirklicht, im einklang mit den eigenen beduerfnissen und gefuehlen zu leben. damit sind nicht die gefuehle und beduerfnisse gemeint, wie sie von der konsumgesellschaft kuenstlich erzeugt werden (kapital ist auch ne macht unter die man sich ergibt), sondern solche, die aus der freude erwachsen, die die liebe einer mutter zur lebendigkeit ihres kindes hervorruft, oder aus dem leid, wenn sie fehlt. allein die unverfaelschten reaktionen des kindes auf seine wahre situation sind die quelle seiner autonomen entwicklung. nur wenn es weder wahrnehmungen noch gefuehle verleugnen muss, bleibt es in verbindung mit den inneren und aeusseren erfahrungen, die sein wachstum stimulieren, und kann beide miteinander verknuepfen. nur so behaelt es den kontakt mit den wurzeln seines gefuehls, lebendig zu sein. und dann wird es auch die verantwortung dafuer uebernehmen koennen, wohin sich seine lebendigkeit entwickeln wird.

wird diese verbindung jedoch gestoert, dann wird das kind beginnen, sich ausschliesslich nach der realitaet zu richten, die ihm von aussen aufgezwungen wird. (es ist die realitaet der macht, die ausschlaggebend dafuer war, dass es sich von seiner eigenen inneren lebendigkeit abgetrennt hat!) und es wird in sich einen selbsthass naehren, der es immer tiefer in diese lebensorientierung treibt.

inhalt zurueck

subversive. antiautoritaere. herrschaftslose. gewaltfreie. autonome .chaotische.cybertribe.kommunikations.art