umfassende und gewissenhafte heilarbeit am menschlichen charakter hat
mir die ueberzeugung beigebracht, dass wir beim beurteilen
menschlicher reaktionen grundsaetzlich mit drei verschiedenen
schichten der biophysischen struktur zu rechnen haben. diese schichten
der charakterstruktur sind, wie ich in meinem buch 'charakteranalyse'
dargelegt habe, autonom funktionierende ablagerungen der sozialen
entwicklung. in der oberflaechlichen schichte seines wesens ist der
durchschnittliche mensch verhalten, höflich, mitleidig,
pflichtbewusst, gewissenhaft. es gaebe keine soziale tragoedie des
menschentiers, wenn diese oberflaechliche schichte des wesens mit dem
tiefen natuerlichen kern unmittelbar in kontakt waere. dies ist nun
tragischerweise nicht der fall: die oberflaechliche schichte der
sozialen kooperation ist ohne kontakt mit dem tiefen biologischen kern
der person; sie ist getragen von einer zweiten, einer mittleren
charakterschichte, die sich durchwegs aus grausamen, sadistischen,
sexuell luesternen, raubgierigen und neidischen impulsen
zusammensetzt. sie stellt das freudsche "unbewusste" oder
"verdraengte" dar, die summe aller sogenannten "sekundaeren triebe" in
der sprache der sexualoekonomie.
die orgonbiophysik vermochte das freudsche unbewusste, das antisoziale
im menschen, als sekundaeres resultat der unterdrueckung primaerer
biologischer antriebe zu begreifen. dringt man durch diese zweite
schichte des perversen tiefer ins biologische fundament des
menschentieres vor, so entdeckt manregelmaessig die dritte und tiefste
schichte, die wir den "biologischen kern" nennen. zutiefst, in diesem
kern, ist der mensch ein unter guenstigen sozialen umstaenden
ehrliches, arbeitsames, kooperatives, liebendes oder, wenn begruendet,
rational hassendes tier. man kann nun in keinem falle charakterlicher
auflockerung des menschen von heute zu dieser tiefsten, so
hoffnungsreichen schichte vordringen, ohne erst die unechte
scheinsoziale oberflaeche zu beseitigen. faellt die maske der
kultiviertheit, so kommt aber zunaechst nicht die natuerliche
sozialitaet, sondern nur die perverssadistische charakterschichte zum
vorschein.
diese unglueckselige strukturierung ist dafuer verantwortlich, dass
jeder natuerliche, soziale oder libidoese impuls, der aus dem
biologischen kern zur aktion vordringen will, die schichte der
sekundaeren perversen triebe zu passieren hat und dabeiabgebogen wird.
diese abbiegung veraendert den urspruenglichen sozialen charakter der
natuerlichen impulse ins perverse und zwingt derart zur hemmung jeder
echten lebensaeusserung.
uebertragen wir unsere menschliche struktur ins soziale und
politische.
es ist unschwer zu erkennen, dass die verschiedenen politischen und
ideologischen gruppierungen der menschlichen gesellschaft den
verschiedenen schichten der menschlichen charakterstruktur
entsprechen. wir verfallen natuerlich nicht dem fehler der
idealistischen philosophie, anzunehmen, dass diese menschliche
struktur von aller ewigkeit in alle ewigkeit umwandelbar besteht.
nachdem soziale umstaende und veraenderungen die urspuenglichen
biologischen ansprueche des menschen zur charakterstruktur geformt
haben, reproduziert die charakterstruktur in form der ideologien die
soziale struktur der gesellschaft.
der biologische kern des menschen ist nun seit dem untergange der
primitiven arbeitsdemokratischen organisationen ohne soziale
vertretung geblieben. das "natuerliche" und "hohe" im menschen,
dasjenige, das ihn mit seinem kosmos verbindet, ist nur in den grossen
kuensten, besonders in der musik und in der malerei, zu echtem
ausdruck gekommen. es blieb aber bisher ohne wesentlichen einfluss auf
die gestaltung der menschlichen gesellschaft, wenn man unter
gesellschaft nicht die kultur einer kleinen reichen oberschichte,
sondern die gemeinschaft aller menschen versteht.
in den etischen und sozialen idealen des liberalismus erkennen wir die
vertretung der zuege der oberflaechlichen, auf selbstbeherrschung und
toleranz bedachten charakterschichte. dieser liberalismus betont seine
ethik zum zwecke der niederhaltung des "untiers im menschen", unserer
zweiten schichte der "sekundaeren triebe", des freudschen
"unbewussten". die natuerliche sozialitaet der tiefsten, dritten
schicht, der kernschichte, ist dem liberalen fremd. er bedauert und
bekaempft die menschliche charakterperversion mittels ethischer
normen, aber die sozialen katastrophen des XX. Jahrhunderts lehrten,
dass er damit nicht weit kam.
alles echt revolutionaere, jede echte kunst und wissenschaft stammt
aus dem natuerlichen biologischen kern des menschen. weder der echte
revolutionaer noch der kuenstler oder der wissenschaftler hat bisher
massen gewonnen, gefuehrt oder, wenn gefuehrt, dauernd im bereiche der
lebensinteressen halten koennen.
anders, und im gegensatz zum liberalismus und zur echten revolution,
ist es um den faschismus bestellt. er stellt in deinem wesen weder die
oberflaechliche noch die tiefste, sondern wesentlich die zweite,
mittlere charakterschichte der sekundaeren triebe dar.
der faschismus wurde zur zeit der ersten niederschrift dieses buches
allgemein als eine "politische partei" betrachtet, die wie andere
"soziale gruppierungen" eine "politische idee" organisiert vertrat.
demzufolge "fuehrte die faschistische partei dem faschismus mittels
gewalt oder 'politische manoever' ein".
im gegensatz dazu hatten mich meine aerztlichen erfahrungen mit
menschen vieler schichten, rassen, nationen, glaubensbekenntnissenetc.
gelehrt, dass "faschismus" nur der politisch organisierte ausdruck der
durchschnittlichen menschlichen charakterstruktur ist, eine struktur,
die weder an bestimmte rassen oder nationen noch an bestimmte parteien
gebunden ist, die allgemein und international ist. in diesem
charakterlichen sinne ist "faschismus" die emotionelle grundhaltung
des autoritaer unterdrueckten menschen der maschinellen zivilisation
und ihrer mechanisch-mystischen lebensauffassung.
der mechanistisch-mytische charakter der menschen unserer epoche
schafft die faschistischen parteien und nicht umgekehrt.
der faschismus wird auch heute noch, infolge des politischen
fehldenkens, als eine spezifische nationaleigenschaft der deutschen
oder der japaner aufgefasst. aus der ersten fehlauffassung folgen alle
weiteren fehldeutungen.
der faschismus wurde und wird noch immer, zum schaden der echten
freiheitsbestrebungen, als eine diktatur einer kleinen reaktionaeren
clique aufgefasst.
die hartnaeckigkeit dieses irrtums ist der angst vor dem erkennen der
wirklichen sachlage zuzuschreiben: der faschismus ist eine
internationale erscheinung, die saemtliche koerperschaften der
menschlichen gesellschaft aller nationen durchsetzt. dieser schluss
ist in uebereinstimmung mit den internationalen vorgaenge der letzten
15 jahre.
meine charakteranalytischen erfahrungen ueberzeugten mich dagegen,
dass es heute keinen einzigen lebenden menschen gibt, der nicht in
seiner struktur die elemente des faschistischen fuehlens und denkens
truege. der faschismus als politische bewegung unterscheidet sich von
anderen reaktionaeren parteien dadurch, dass er von menschenmassen
getragen und vertreten wird.
mir ist die verantwortungsfuelle solcher behauptung voll bewusst. ich
wuenschte im interesse dieser zerschundenen welt, dass der arbeitenden
menschenmasse ihre verantwortung fuer den faschismus ebenso klar
waere.
man muss scharf zwischen gewoehnlichen militarismus und faschismus
unterscheiden. das wilhelminische deutschland war militaristisch, aber
nicht faschistisch.
da der faschismus stets und ueberall als eine von menschenmassen
getragene bewegung auftritt, verraet er alle zuege und ist nicht, wie
allgemein geglaubt wird, eine rein reaktionaere bewegung, sondern er
stellt ein amalgan dar, zwischen rebellischen emotionen und
reaktionaeren sozialen ideen.
versteht man unter revolutionaersein die rationale auflehnung gegen
unertraegliche zustaende in der menschlichen gesellschaft, den
rationalen willen, "allen dingen auf den grundzu gehen" ("radikal" -
"radix" = "wurzel") und sie zu bessern, dann ist der faschismus nie
revolutionaer. er mag zwar im gewande revolutionaerer emotionen
auftreten. aber man wird nicht den arzt revolutionaer nennen, der
gegen eine krankheit mit ausgelassenen schimpfworten vorgeht, sondern
denjenigen, der still, mutig und gewissenhaft die ursachen der
krankheit erforscht und bekaempft. faschistisches rebellentum entsteht
immer dort, wo eine revolutionaere emotion durch angst vor der
wahrheit in die illusion umgebogen wird.
der faschismus ist in seiner reinen form die summe aller irrationalen
reaktionen des durchschnittlichen menschlichen charakters. dem
bonierten soziologen, dem der mut zu anerkennung der uebertragenen
rolle des irrationalen in der geschichte der menschheit fehlt,
erscheint die faschistische rassentheorie bloss als ein
imperialistisches interesse oder, milder, als "vorurteil". ebenso dem
verantwortungslosen, phrasenhaften politikanten. die rasanz und die
weite verbreitung dieser "rassevorurteile" bezeugt ihre herkunft aus
dem irrationalen teil des menschlichen charakters. die rassetheorie
ist keine schoepfung des faschismus. umgekehrt: der faschismus ist
eine schoepfung des rassehasses und sein politisch organisierter
ausdruck. demzufolge gibt es einen deutschen, italienischen,
spanischen, anglosaechsischen, juedischen und arabischen faschismus.
die rasseideologie ist ein echt biopathischer charakterausdruck des
orgastisch impotenten menschen.
der sadistisch-perverse charakter der rasseideologie verraet sein
wesen auch in der stellung zur religion. der faschismus waere, so
heisst es, rueckkehr zum heidentum und ein todfeind der religion. weit
davon entfernt, ist der faschismus der extreme ausdruck des
religioesen mystizismus. als solcher tritt er in besonderer sozialer
gestalt auf. der faschismus stuetzt diejenige religioesitaet, die aus
der sexuellen perversion stammt, und er verwandelt den masochistischen
charakter der leidensreligion des alten patriachats in eine
sadistische religion. demzufolge versetzt er die religion aus dem
jenseitsbereiche der leidensphilosophie in das diesseits des
sadistischen mordens.
die faschistische mentalitaet ist die mentalitaet des kleinen,
unterjochten, autoritaetssuechtigen und gleichzeitig rebellischen
"kleinen mannes". es ist kein zufall, dass saemtliche faschistische
diktatoren aus dem lebensbereiche des kleinen reaktionaeren mannes
stammen. der grossindutrielle und der feudale militarist nuetzt diese
soziale tatsache fuer seine zwecke aus, nachdem sie sich im bereiche
der allgemeinen lebensunterdrueckung entwickelt hat. die mechanistisch
autoritaere zivilisation erhaelt in gestalt des faschismus nur vom
kleinen, unterdruckten manne wieder, was sie seit jahrhunderten an
mystik, feldwebeltum, automatismus in die massen der kleinen
unterdrueckten menschen gesaet hat. dieser kleine mann hat dem grossen
mann sein verhalten allzugut abgeguckt, und er bringt es verzerrt und
vergroessert wieder. der faschist ist der feldwebel in der
riessenarmee unserer tief kranken, grossindustriellen zivilisation.
man macht dem kleinen menschen nicht ungestraft das grosse tamtam der
hohen politik vor: der kleine feldwebel hat den imperialistischen
general in allem uebertroffen: in der marschmusik, im stechschritt, im
befehlen und gehorchen, in der toedlichen angst vor dem denken, in der
diplomatie, strategie und taktik, im uniformieren und paradieren, im
dekorieren und medaillieren. ein kaiser wilhelm erwies sich in all
diesen dingen als ein elender stuemper, verglichen mit dem hungernden
beamtensohn hitler. wenn sich ein "proletarischer" general seine brust
mit medaillen auf beiden seiten, und darueber hinaus von der kehle bis
zum nabel vollhaengt, so demonstriert der den kleinen mann, der hinter
dem "echten", grossen general nicht zurueckbleiben moechte.
man muss den charakter des kleinen unterdrueckten menschen jahrelang
gruendlich studiert haben, so wie sich die dinge hinter der fassade
abspielen, um zu begreifen, auf welche maechte sich der faschismus
stuetzt.
in der rebellion der masse der misshandelten menschentiere gegen die
nichtssagenden hoeflichkeiten des falschen liberalismus (ich meine
nicht den echten liberalismus und die echte toleranz) kam die
charakterliche schichte der sekundaeren triebe zum vorschein.
man kann den faschistischen amoklaeufer nicht unschaedlich machen,
wenn man ihn, je nach politischer konjunktur, nur im deutschen oder
italiener und nicht auch im amerikaner und chinesen sucht; wenn man
ihn nicht in sich selbst aufspuert; wenn man nicht die sozialen
institutionen kennt, die ihn taeglich ausbrueten.
man kann den faschismus nur schlagen, wenn man ihm sachlich und
praktisch mit gut begruendeter kenntnis der lebensprozesse
entgegentritt. das polarisieren, diplomatisieren und paradieren macht
ihm keiner nach. doch auf praktische lebensfragen hat er keine
antwort, denn er sieht alles nur im spiegel der ideologie oder in
gestalt der staatlichen uniform.
wenn man einen faschistischen charakter welcher faerbung immer die
"ehre der nation" (statt die ehre des menschen) oder die "rettung der
heiligen familie und der rasse" (statt die gesellschaft der
arbeitenden menschheit) predigen hoert; wenn er sich aufprustet und
das maul voll von schlagworten hat, so frage man ihn oeffentlich still
und einfach:
"was tust du praktisch, um die nation zu fuettern, ohne andere
nationen zu morden? was tust du als arzt gegen die chronische
krankheiten, was als erzieher zur foerderung kindlichen lebensgluecks,
was als oekonom gegen armut, was als sozialarbeiter gegen zermuerbung
kinderreicher muetter, was als baumeister zur foerderung der
wohnhygiene? nun aber schwaetze nicht, sondern gib konkrete praktische
antwort oder halte deinen mund!"
daraus folgt: der internationale faschismus wird nie durch politische
manoever besiegt werden. er wird der internationalen natuerlichen
organisation der arbeit, der liebe und des wissens unterliegen.
noch verfuegen arbeit, liebe und wissen in unserer gesellschaft nicht
ueber die macht der bestimmung des menschlichen daseins. mehr, diese
grossen maechte des positiven lebensprinzips sind sich ihrer
gewaltigkeit, ihrer unersetzlichkeit, ihrer ueberragenden bedeutung
fuer das soziale sein nicht bewusst. deshalb findet sich heute die
menschliche gesellschaft, ein jahr nach der militaerischen besiegung
des parteilichen faschismus, weiter am rande des abgrundes. der sturz
unserer zivilisation ist unaufhaltbar, wenn die traeger der arbeit,
die naturwissenschaftler aller lebens- (nicht todes-)zweige und die
spender und empfaenger der natuerlichen liebe sich ihrer
riessenverantwortung nicht rasch genug bewusst werden sollten.
das lebendige kann ohne den faschismus, aber der faschismus kann ohne
das lebendige nicht sein. er ist ein vampyr am koerper des lebendigen,
der mordimpulse auslebt, wenn im fruehling die liebe nach erfuellung
ruft.
"wird die menschliche und soziale freiheit, wird die selbstverwaltung
unseres lebens und des lebens unserer nachkommen friedlich oder
gewaltsam durchdringen?" so lautet eine bange frage. niemand kennt die
antwort.
doch wer die funktionen des lebendigen am tier, am neugeborenen kinde,
am hingebungsvollen arbeiter, sei er nun mechaniker, forscher oder
kuenstler, kennt, der hoert auf in begriffen zu denken, die das
parteiunwesen in diese welt gesetzt hat. das lebendige kann keine
"macht gewalttaetig ergreifen", denn es wuesste nicht, was mit macht
anzufangen ist. bedeuted dieser schluss, dass das lebendige leben fuer
immer dem politischen gangstertum ausgeliefert, immer sein opfer und
erdulder sein wird, dass der politikant immer an seinem blute saugen
wird? dieser schluss waere falsch.
als arzt habe ich krankheiten zu heilen. als forscher unbekannte
naturzusammenhaenge zu enthuellen. kaeme nun ein politischer winbeutel
daher, um mich zu zwingen, meine kranken und mein mikroskop im stiche
zu lassen, so wuerde ich mich nicht stoeren lassen, sondern ihn zur
tuere hinauswerfen, wenn er nicht freiwillig ginge. ob ich gewalt
anwenden muss, um meine arbeit am leben vor eindringlingen zu
schuetzen, haengt nicht von mir oder meiner arbeit, sondern vom grade
der frechheit des eindringlings ab. man stelle sich nun vor, dass
alle, die arbeit am lebendigen leisten, den politischen windbeutel
rechtzeitig erkennen koennten. sie wuerden nicht anders handeln.
vielleicht liegt in diesem vereinfachten beispiel das stueck antwort
auf die frage, wie sich frueher oder spaeter das lebendige gegen seine
stoerer und zerstoerer wehren wird.
die massenpsychologie des faschismus entstand in den deutschen
krisenjahren 1930-1933. sie wurde 1933 niedergeschrieben; sie erschien
im september 1933 in erster und im april 1934 in zweiter auflage in
daenemark.
seither sind 10 jahre verstrichen. die enthuellung der irrationalen
natur der faschistischen ideologie brachte dem buch oft allzu
begeisterte, von wissen und tat unbeschwerte zustimmung in allen
politischen lagern. es ging - zum teil unter decknamen - massenweise
ueber die deutschen grenzen. die illegale revolutionaere bewegung in
deutschland nahm es freudig auf. es stellte jahrelangen kontakt mit
der deutschen antifaschistischen bewegung her.
die faschisten verboten das buch 1935 zusammen mit der gesamten
literatur der politischen psychologie. teile daraus wurden in
frankreich, amerika, tschecheslowakei, skandinavien etc. abgedruckt,
und es wurde in ausfuehrlichen artikeln gewuerdigt. nur die
oekonomisch festgefahrenen parteisozialisten und die bezahlten
parteibeamten, die ueber die politischen machtorgane verfuegten,
wussten bis zum heutigen tage damit nichts anzufangen. von den
kommunistischen parteifuehrungen z.b. in daenemark und norwegen wurde
es heftig angegriffen und als "konterrevolutionaer" gebrandmarkt. es
ist dagegen bezeichnend, dass revolutionaer gesinnte jugendliche aus
faschistischen verbaenden die sexual-oekonomische erklaerung der
irrationalen rassetheorie verstanden.
1942 kam aus england der vorschlag, die massenpsychologie des
faschismus ins englische zu uebersetzen. dies stellte mich vor die
aufgabe, das buch 10 jahre nach der abfassung auf seine brauchbarkeit
zu pruefen. das resultat dieser ueberpruefung spiegelt genau die
riesenhaften umwaelzungen im denken des letzten jahrzehnts wieder. es
ist auch der pruefstein fuer die tragfaehigkeit der sozialen
sexualoekonomie und ihrer beziehung zu den sozialen umwaelzungen
unseres jahrhunderts. ich hatte dieses buch mehrere jahre nicht mehr
in den haenden gehabt. als ich es nun zu korrigieren und zu erweitern
begann, erlebte ich die vor 15 jahren begangenen denkfehler, die
umwaelzungen im denken und die wissenschaftlichen anforderungen, die
die ueberwindung des faschismus stellt, in erschuetternder weise.
zunaechst durfte ich es mir gestatten, einen grossen triumph zu
geniessen. die sexualoekonomische analyse der ideologie des faschismus
hielt der kritik der zeit nicht nur stand, sondern sie war im
wesentlichen durch die letzten 10 jahre glaenzend bestaetigt. sie
ueberdauerte den untergang der oekonomischen, vulgaermarxistischen
auffassung, mit der die deutschen marxistischen parteien dem
faschismus beizukommen versuchten. es spricht fuer die
massenpsychologie, dass sie 10 jahre nach der abfassung neu
angefordert wird. dessen kann sich keine marxistische schrift aus der
zeit um 1930 ruehmen, deren verfasser die sexualoekonomie verdammt
hatten.
die umwaelzungen im denken praegten sich bei der umarbeitung der
zweiten auflage wie folgt aus:
um 1930 hatte ich keine ahnung von den natuerlichen
arbeitsdemokratischen beziehungen der werkstaetigen menschen. die
jungen sexualoekonomischen einsichten in die menschliche
strukturbildung waren damals im rahmen des denkens der marxistischen
parteien untergebracht. ich arbeitete zu der zeit in liberalen,
sozialistischen und kommunistischen kulturorganisationen und war
routinemaessig gezwungen, die ueblichen marxistisch-soziologischen
begriffe im zusammenhange mit den sexualoekonoischen darstellungen zu
gebrauchen. der riessenwiderspruch zwischen sozialer sexualoekonomie
und vulgaerem oekonomismus kam schon damals in peinlichen
auseinandersetzungen mit verschiedenen funktionaeren der parteien zum
ausdruck. mir war aber, als ich noch an die grundsaetzlich
wissenschaftliche natur der marxistischen parteien glaubte,
unverstaendlich, aus welchem grunde die parteileute die sozialen
wirkungen meiner aerztlichen arbeit gerade dann am schaerfsten
bekaempften, wenn massen von angestellten, industriearbeitern, kleinen
kaufleuten, studenten etc. in die sexualoekonomisch orientierten
organisationen stroemten, um sich wissen ueber das lebendige leben zu
holen. ich werde nie den "roten professor" aus moskau vergessen, der
1928 in einem meiner wiener studentenvortraege beordert war, um den
"parteistandpunkt" gegen mich zu vertreten. der mann erklaerte unter
anderem, "der oedipuskomplex waere ein bloedsinn", so etwas existierte
nicht. 14 jahre spaeter verbluteten seine russischen genossen unter
den tanks der fuehrerhoerigen deutschen maschinenmenschen.
man haette doch erwarten muessen, dass parteien, die die menschliche
freiheit zu erkaempfen vorgaben, ueber die wirkungen meiner
politisch-psychologischen arbeit nur erfreut sein wuerden. wie die
archive unseres instituts ueberzeugen, was das gerade gegenteil der
fall: je groesser die sozialen wirkungen der massenpsychologischen
arbeit waren, desto schaerfer wurden die gegenmassnahmen der
parteipolitiker. schon 1929-1930 sperrte die oesterreichische
sozialdemokratie ihre kulturorganisationen den referenten unserer
organisation. die sozialistischen sowohl wie die kommunistischen
organisationen verboten, trotz scharfen protestes der mitglieder, den
vertrieb der schriften des "verlags fuer sexualpaedagogik" in berlin
schon 1932. mir wurde gedroht, dass ich an die wand gestellt werden
wuerde, sobald der marxismus zur macht in deutschland gelangte. 1932
sperrten die kommunistischen organisationen in deutschland, gegen den
willen der mitglieder, ihre versammlungslokale fuer den
sexualoekonomischen arzt. mein ausschluss aus beiden organisationen
erfolgte aus dem grunde, dass ich die sexuologie in die
sozialwissenschaft einfuehrte und die konsequenzen fuer die
menschliche strukturbildung zog. in den jahren zwischen 1934 und 1937
waren es immer wieder funktionaere der kommunistischen partei, die die
faschistisch orientierten kreise in europa auf die "gefaehrlichkeit"
der sexualoekonomie hinwiesen. dies ist dokumentarisch belegt. die
sexualoekonomischen schriften wurden an der sowjetrussischen grenze
ebenso zurueckgewiesen wie die massenscharen von fluechtlingen, die
sich vor dem deutschen faschismus zu retten versuchten. dagegen gibt
es kein gueltiges argument.
diese damals sinnlos scheinenden vorgaenge wurden mir vollends
verstaendlich, als ich die massenpsychologie des faschismus nun neu
bearbeitete. die sexualoekonomisch-biologischen
tatsachenfeststellungen waren in die marxistische vulgaerterminologie
eingezwaengt wie ein elefant in ein fuchsloch. ich hatte schon bei der
neubearbeitung meines jugendbuches [gemeint ist 'Der sexuelle Kampf
der Jugen'] 1938 festgestellt, dass jedes sexualoekonomische wort
seine bedeutung nach 8 jahren beibehalten, dass aber jedes
parteischlagwort, das ich in das buch hineingenommen hatte, sinnlos
geworden war. ebenso ging es mit der dritten auflage der
massenpsychologie des faschismus:
heute ist es ganz allgemein klar geworden, dass "faschismus" keine tat
eines hitler oder mussolini, sondern ausdruck der irrationalen
struktur der massenmenschen ist. es ist heute klarer als vor 10
jahren, dass die rassetheorie biologischer mystizismus ist. man ist
heute dem verstehen der organisierten massensehnsucht zugaenglicher
als vor 10 jahren, und man ahnt bereits allgemein, dass der
faschistische mystizismus orgastische sehnsucht unter der bedingung
der mystischen abbiegung und hemmung der natuerlichen sexualitaet ist.
die sexualoekonomischen aussagen ueber den faschismus gelten heute
noch besser als vor 10 jahren. die marxistischen parteibegriffe im
buch dagegen mussten durch die bank gestrichen und neu ersetzt werden.
bedeutet dies, dass die wirtschaftstheorie des marxismus grunsaetzlich
falsch ist? ich moechte diese frage durch ein beispiel verdeutlichen.
ist das mikroskop aus der zeit pasteurs oder die wasserpumpenmaschine,
die leonardo da vinci konstruierte, "falsch"? der marxismus ist eine
wissenschaftliche wirtschaftstheorie, die den sozialen verhaeltnissen
des anfangs und der mitte des 19. jahrhunderts entstammt. der soziale
prozess hatte aber nicht halt gemacht, sondern er hatte sich in den
grundsaetzlich andersartigen prozess des 20. jahrhunderts fortgesetzt.
in diesem neuen sozialen prozess finden wir ebenso alle wesentlichen
grundzuege des 19. jahrhunderts, wie wir im modernen mikroskop die
grundstruktur des pasteurschen mikroskops, oder wie wir in der
modernen wasserleitung das grundprinzip leonardo da vincis
wiederfinden. aber man koennte weder mit dem pasteurschen mikroskop
noch mit der pumpe von leonardo da vinci heute irgend etwas anfangen.
sie sind ueberholt durch grundsaetzlich neue vorgaenge und funktionen,
die einer grundsaetzlich neuen auffassung und technik entsprechen. die
marxistischen parteien in europa versagten und gingen unter (das ist
nicht schadenfroh gesagt!), weil sie den faschismus, des 20.
jahrhunderts, eine grundsaetzlich neue erscheinung, mit begriffen zu
fassen versuchten, die dem 19. jahrhundert entsprachen. sie gingen als
soziale organisationen unter, weil sie es versaeumten, die lebendigen
entwicklungsmoeglichkeiten, die jeder wissenschaftlichen theorie
anhaften. lebendig zu erhalten und fortzuentwickeln. ich bedauere
nicht, mich jahrelang als arzt in den marxistischen organisationen
betaetigt zu haben. ich habe meine soziologischen kenntnisse nicht aus
buechern, sondern wesentlich aus praktischem miterleben der kaempfe
der menschenmassen um ein wuerdiges, freies dasein erworben. die
besten sexualoekonomischen einsichten entstammten gerade den
irrtuemern im denken derselben menschenmassen, die ihnen dann die
faschistische pest einbrachten. als arzt war mir der international
arbeitende und sorgende mensch in einer weise zugaenglich wie keinem
parteipolitiker. der parteipolitiker sah nur die "arbeiterklasse", die
er mit "klassenbewusstsein erfuellen" wollte. ich sah das lebewesen
mensch, das unter gesellschaftliche verhaeltnisse schlimmster art
geraten war, die es selbst geschaffen hatte, die es charakterlich
verankert in sich trug und von denen es sich vergeblich zu befreien
versuchte. die kluft zwischen oekonomitischer und bio-soziologischer
anschauung wurde unueberbrueckbar. der "theorie des klassenmenschen"
trat die irrationale natur der gesellschaft des tieres "mensch"
gegenueber.
heute weis jeder, dass die marxistischen wirtschaftsanschauungen das
denken der modernen menschheit mehr oder minder durchdrungen und
beeinflusst haben, sehr oft ohne dass die betreffenden oekonomen und
soziologen sich dessen bewusst sind, von wem ihre anschauungen
herstammen. begriffe wie: "klasse", "profit", "ausbeutung",
"klassenkampf", "ware" und "mehrwert" sind menschliches allgemeingut
geworden. es gibt dagegen heute keine partei, die als erbin und
lebendige vertreterin des wissenschaftlichen guts des marxismus gelten
kann, wenn es um soziologische entwicklungstatsachen und nicht um
schlagworte geht, die sich mit dem inhalt nicht mehr decken.
in den jahren zwischen 1937 und 1939 entwickelte sich der neue begriff
der "arbeitsdemokratie". die dritte auflage der massenpsychologie des
faschismus enthaelt die darstellung der grundzuege dieses neuen
sozilogischen begriffs. er umfasst die besten, noch heute gueltigen
soziologischen funde des marxismus. er traegt gleichzeitig den
sozialen veraenderungen rechnung, die sich im verlaufe der letzten
hundert jahre am "arbeiter" vollzogen haben. ich weiss aus erfahrung,
dass es gerade die "einzigen vertreter der arbeiterschaft" und die
gewesenen und kommenden "fuehrer des internationalen proletariats"
sein werden, die diese fortentwicklung des sozialen arbeiterbegriffs
als "faschistisch", "trotzkistisch", "konterrevolutionaer",
"parteifeindlich" etc. bekaempfen werden. organisationen von
arbeitern, die neger ausschliessen und hitlerei betreiben, verdienen
es nicht, als gruender einer neuen, freien gesellschaft betrachtet zu
werden. die hitlerei macht eben nicht an den grenzen der nazi-partei
oder deutschlands halt; sie durchsetzt die arbeitsorganisationen der
liberalen und demokratischen kreise. faschismus ist keine politische
partei, sondern eine bestimmte lebensauffassung und einstellung zu
mensch, liebe und arbeit. dies wird nichts an der tatsache aendern,
dass die politik der marxistischen parteien der vorkriegszeit
ausgepielt und keine zukunft mehr hat. genauso wie der begriff der
sexuellen energie innerhalb der psychoanalytischen organisation
unterging und in der entdeckung des orgons kraeftig und jung neu
erstand, so ging auch der begriff des internationalen arbeiters im
marxistischen parteiwesen unter und ersteht neu im rahmen der sozialen
sexualoekonomie. denn die taetigkeiten des sexualoekonomen sind nur im
rahmen aller uebrigen gesellschaftlich notwendigen arbeit und sie sind
nicht im rahmen des reaktionaeren, mystifizierten, nicht-arbeitenden
lebens moeglich.
die sexualoekonomische soziologie wurde in den anstrengungen, die
tiefenpsychologie freuds mit der oekonomielehre von marx in einklang
zu bringen, geboren. triebhafte und sozial-oekonomische prozesse
bestimmen das menschliche sein. aber wir muessen die elektrischen
versuche ablehnen, die "trieb" und "wirtschaft" willkuerlich
zusammensetzen. die sexualoekonomische soziologie loest den
widerspruch auf, der die psychoanalyse den sozialen faktor und den
marxismus den tierischen ursprung des menschen vergessen liess. wie
ich es an anderer stelle ausdrueckte: die psychoanalyse ist die
mutter, die soziologie der vater der sexualoekonomie. aber ein kind
ist mehr als die summe der eltern. es ist ein neues, selbständiges,
zukunftstraechtiges lebewesen.
entsprechend der neuen, sexualoekonomischen fassung des begriffs der
"arbeit" wurden folgende veraenderungen in der terminologie des buches
vorgenommen. die begriffe "kommunistisch", "sozialistisch",
"klassenbewusst" etc. wurden durch soziologisch und psychologisch
eindeutige worte wie "revolutionaer" und "wissenschaftlich" ersetzt.
sie bedeuten "radikal umwaelzend", "rational taetig", "die dinge an
der wurzel fassend".
dies traegt der tatsache rechnung, dass heute nicht mehr die
kommunistischen oder sozialistischen parteien, sondern im gegensatz zu
ihnen viele unpolitische menschengruppen und gesellschaftliche
schichten jeder politischen schattierung immer mehr revolutionaer
gesinnt werden, d.h. nach einer grundsaetzlich neuen, rationalen
gesellschaftsordnung streben. es ist allgemeines gesellschaftliches
bewusstsein geworden, und es wurde selbst von alten buergerlichen
politikern ausgesprochen, dass die welt durch den krampf gegen die
faschistische pest in den prozess einer riesenhaften, internationalen,
revolutionaeren umwaelzung geriet. die worte "proletarier" und
"proletarisch" wurden vor mehr als hundert jahren zur kennzeichnung
einer voellig rechtlosen, in der masse verelendeten schichte der
gesellschaft gepraegt. zwar gibt es noch heute solche menschengruppen,
aber die urenkelkinder der proletarier des 19. jahrhunderts sind zu
spezialisierten, technisch hochentwickelten, unentbehrlichen,
verantwortlichen und fachbewussten industriearbeitern geworden. an die
stelle des wortes "klassenbewusstsein" tritt das wort
"fachbewusstsein" oder "soziale verantwortlichkeit".
im marxismus des 19. jahrhunderts war das "klassenbewusstsein"
eingeschraenkt auf den handarbeiter. die arbeitenden aber, die in
anderen lebensnotwendigen berufen taetig sind, ohne die die
gesellschaft nicht funktionieren koennte, wurden als "intellektuelle"
oder "kleinbourgeoisie" dem "handarbeiter-proletariat"
gegenuebergestellt. diese schematische und heute unzutreffende
gegenueberstellung war am siege des faschismus in deutschland ganz
wesentlich beteiligt. der begriff "klassenbewusstsein" ist nicht zu
eng, sondern er deckt sich nicht einmal mit der struktur der
handarbeiterschaft. "industriearbeit" und "proletarier" wurden daher
ersetzt durch die begriffe "lebensnotwendige arbeit" und "der
arbeitende". diese beiden begriffe umfassen alle werktaetigen, die
gesellschaftlich lebensnotwendige arbeit leisten. also neben den
industriearbeitern die aerzteschaft, erzieherschaft, technikerschaft,
die laboratoriumsarbeiter, schriftsteller, gesellschaftliche
administratoren, farmerschaft, wissenschaftliche arbeiter etc. dadurch
hebt sich eine kluft auf, die gar nicht wenig zur zersplitterung der
arbeitenden menschlichen gesellschaft und mithin zum faschismus, ob
schwarz oder rot, beigetragen hat.
die marxsche soziologie stellte aus unkenntnis der massenpsychologie
den "buerger" dem "proletarier" gegenueber. dies ist psychologisch
falsch. die charakterliche struktur ist nicht auf den kapitalismus
beschraenkt, sondern durchsetzt die arbeitenden aller berufe. es gibt
freiheitliche kapitalisten und reaktionaere arbeiter. es gibt keine
charakterlichen klassengrenzen. daher wurden die oekonomischen
begriffe "bourgeoisie" und "proletariat" durch die charakterlichen
begriffe "reaktionaer" und "revolutionaer" oder freiheitlich" ersetzt.
diese aenderung wurde durch die faschistische pest aufgezwungen.
der dialektische materialismus, den engels in seinem anti-duehring in
den grundzuegen entwickelt hatte, entwickelt sich zum energetischen
funktionalismus. diese entwicklung vorwaerts war ermoeglicht durch die
entdeckung der biologischen energie, des orgons (1936-1939).
soziologie und psychologie erwarben ein solides biologisches
fundament. eine solche entwicklung konnte nicht ohne einfluss auf das
denken bleiben. mit der entwicklung des denkens veraendern sich alte
begriffe, neue treten an stelle von unbrauchbar gewordenen. das
marxsche wort "bewusstsein" wurde durch "dynamische struktur", die
"beduerfnisse" wurden durch "orgonotische triebprozesse" ersetzt;
"tradition" durch "biologische und charakterliche versteifung" etc.
etc.
der vulgaermarxistische begriff der "privatwirtschaft" war von der
irrationalitaet der menschen so missdeutet worden, als ob die
freiheitliche entwicklung der gesellschaft die aufhebung jedes
privateigentums bedeutete. das wurde natuerlich von der politischen
reaktion weidlich ausgenuetzt. nun hat die entwicklung der
gesellschaftlichen und individuellen freiheit nichts mit der
sogenannten "aufhebung des privateigentums" zu tun. der marxsche
begriff des privateigentums betraf nicht hemden, hosen,
schreibmaschinen, klosettpaier, buecher, betten, ersparnisse,
wohnhaeuser, landstuecke etc. der menschen. dieser begriff betraf
ausschliesslich den privaten besitz an den gesellschaftlichen
produktionsmitteln, die den allgemeinen gang der gesellschaf
bestimmen. also: eisenbahnen, wasserwerke, elektrizitaetswerke,
berggruben etc. die "vergesellschaftung der produktionsmittel" wurde
zu einem roten tuch gerade durch ihre vermengung mit der "privaten
enteignung" der der huehner, hemden, buecher, wohnstaetten etc. wie es
der ideologie der besitzlosen entsprach. die verstaatlichung der
gesellschaftlichen produktionmittel hat im letzten jahrhundert in
saemtlichen kapitalistischen laendern, hier mehr, dort weniger, ihre
private verfuegbarkeit zu zersetzen begonnen.
da die arbeitenden sich in ihrer struktur und freiheitsfaehigkeit
nicht der riesenentwicklung der gesellschaftlichen organisationen
anpassten, vollzog der "staat" diejenige akte, die eigentlich der
"gesellschaft" der arbeitenden vorbehalten waren. in sowjetrussland,
der angeblichen hochburg des marxismus, ist von "vergesellschaftung
der produktionsmittel" keine rede. die marxistischen parteien hatten
einfach "vergesellschaftung" und "verstaatlichung" verwechselt. es
zeigt sich in diesem kriege, dass die amerikanische regierung genauso
das recht und die moeglichkeit hat, schlecht funktionierende betriebe
zu verstaatlichen. eine vergesellschaftung der gesellschaftlichen
produktionsmittel, ihre ueberfuehrung vom privatbesitz einzelner in
gesellschaftliches eigentum, klingt weit weniger horrend, wenn man
sich vergegenwaertigt, dass es heute infolge des krieges in den
kapitalistischen laendern nur noch wenige unabhaengige einzelbesitzer
und dagegen viele staatlich verantwortliche kollektivbesitzer gibt;
dass ferner in sowjetrussland die gesellschaftlichen betribe in keiner
weise den arbeitern dieser betriebe, sondern gruppen von
staatsfunktionaeren zur verfuegung stehen. die vergesellschaftung der
gesellschaftlichen produktionsmittel wird erst dann spruchreif und
moeglich sein, wenn die massen der arbeitenden strukturell reif, d.h.
verantwortungsbewusst sein werden, sie zu verwalten. sie sind heute in
ueberwiegender mehrzahl weder gewillt noch reif dazu. ferner: eine
vergesellschaftung grosser betriebe in dem sinne, dass nur die
handarbeiter sie verwalten, die techniker, ingenieure, verwalter,
administratoren, distributoren etc. aber nicht dazugerechnet werden,
ist soziologisch und oekonomisch sinnlos. eine solche idee wird heute
selbst von den handarbeitern abgelehnt. waere dem nicht so, dann
haetten die marxistischen parteien die macht laengst ueberall erobert.
dies ist der wesentlichste soziologische grund, weshalb sich die
privatwirtschaft des 19. jahrhunderts ueberall immer mehr in eine
staatskapitalistische planungswirtschaft verwandelt. es muss klar
ausgesprochen werden, dass es auch in sowjetrussland keinen
staatssozialismus, sondern einen strengen staatskapitalismus gibt;
dies im streng marxistischen sinne. der gesellschaftliche zustand
"kapitalismus" ist nach marx nixht, wie die vulgaermarxisten glauben,
durch das vorhandensein individueller kapitalisten, sondern surch das
vorhandensein der spezifisch "kapitalistischen produktionsweise"
gegeben. also durch warenwirtschaft anstelle von
"gebrauchswirtschaft", durch lohnarbeit der menschenmassen und durch
mehrwertproduktion, gleichgueltig ob dieser mehrwert dem staat ueber
der gesellschaft, oder individuelle kapitalisten durch private
aneignung der gesellschaftlichen produktion zugute kommt. an diesem
streng marxschen sinne besteht aber in russland das kapitalistische
system fort. und es wird fortbestehen, solange die menschenmassen
irrational verseucht und autoritaetssuechtig sein werden, wie sie es
jetzt sind.
die sexualoekonomische strukturpsychologie fuegt nun der
wirtschaftlichen beschreibung der gesellschaft die charakterliche und
biologische an. mit der beseitigung individueller kapitalisten und der
errichtung des staatskapitalismus in russland anstelle des
privatkapitalismus hat sich an der typisch hilflosen, autoritaeren
charakterstruktur der menschenmassen nicht das geringste geaendert.
ferner: die politische ideologie der marxistischen parteien europas
operierte mit rein wirtschaftlichen zustaenden, die einem zeitraum von
etwa 200 jahren, also etwa vpm 17. bis 19. jahrhundert der
maschinenentwicklung, entsprachen. der faschismus des 20. jahrhunderts
warf im gegensatz dazu die grundfrage der menschlichen
charakterbeschaffenheit, der menschlichen mystik und autoritaetssucht
auf, die einem zeitraum von etwa 4000 bis 6000 jahren entsprechen.
auch hier versuchte der vulgaermarxismus einen elefanten in ein
fuchsloch zu stecken. die soziale sexualoekonomie befasst sich mit
einer menschlichen struktur, die nicht in den letzten 200 jahren
entstand, sondern eine viele tausend jahre alte
patriarchalisch-autoritaere zivilisation wiedergibt. ja, sie behauptet
sogar, dass die schaendlichen exzesse der kapitalistischen aera der
werktaetigen, rassenunterdrueckung etc.) nicht moeglich gewesen waeren
ohne die autoritaetsuechtige, freiheitsunfaehige, mystische struktur
der millionenmassen, die all dies erduldet haben. dass diese struktur
sozial und erzieherisch erzeugt wurde und nicht naturgegeben ist,
aendert an ihrer wirkung nichts. der standpunkt der
sexualoekonomischen biophysik ist also im strengen und guten sinne
unendlich radikaler als der der vulgaermarxisten, wenn man unter
radikalsein "den dingen an die wurzeln fassen" versteht.
aus all dem geht hervor, dass man die faschistische massenpest
ebensowenig mit sozialen massnahmen des rahmens der letzten 300 jahre
bewaeltigen kann, wie man einen elefanten (6000 jahre) in ein fuchloch
(300 jahre) hineinzuzwaengen vermag.
die entdeckung der natuerlich biologischen arbeitsdemokratie im
internationalen menschlichen verkehr ist als die antwort auf den
faschismus zu betrachten. dies auch dann, wenn nicht ein einziger
gegenwaertig lebender sexualoekonom, orgonbiophysoker oder
arbeitsdemokrat ihr ausschliessliches funktionieren und ihren sieg
ueber die irrationalitaet im sozialen leben erleben sollte.
maine, august 1942
wilhelm reich
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