Low Intensity Warfare -
Krieg der niederen Intensität

Der US-Imperialismus in der Krise

Die von den herrschenden Kreisen der USA etablierte Nachkriegsordnung mit dem Dollar als Leitwährung und den, die Weltwirtschafts- und die politische Ordnung regulierenden Institutionen wie die Weltbank und der Internationale Währungsfond sicherten die Hegemonialstellung der USA als führende wirtschaftliche und militärische Macht der Welt. Ihre wirtschaftliche Spitzenposition verloren die USA aber in den letzten beiden Jahrzehnten mehr und mehr. Gigantische Handelsbilanzdefizite und der Dollarkursverfall sind Anzeichen für die abnehmende Konkurenzfähigkeit von nordamerikanischen Produkten auf dem Weltmarkt. Verantwortlich dafür sind 1. das geringe Produktivitätsniveau bei langsamer technischer Innovation und hohen Löhnen, 2. die schnellere Entwicklung der konkurierenden Kapitalfraktionen Westeuropas und Japans und 3. das stärkere Unabhängigkeitsstreben der "Entwicklungsländer" und die wachsende Konkurrenzfähigkeit der Schwellenländer bei bestimmten Produktionen wie z.B. der Manufakturindustrie. Die Kräfte, die sich mit dieser Entwicklung nicht abfinden konnten, die Neokonservativen und die Neue Rechte, die mit Ronald Reagan an die Macht kamen, reagierten nach der Devise "das Imperium schlägt zurück". Innenpolitisch folgte daraus die Senkung des Lohnniveaus und die radikale Senkung der Sozialausgaben. Außenpolitisch bedeutete dies einerseits eine aggressive, expansive Politik gegenüber den Staaten des Warschauer Vertrages gepaart mit dem Versuch, über militärische Innovationen, z.B. dem SDI-Programm, wieder die technische Weltmacht Nr. 1 zu werden, andererseits eine aktive und präventive Counterinsurgency-Politik, d.h. Bekämpfung der nach Loslösung aus neokolonialer Abhängigkeit strebenden Befreiungsbewegungen und Staaten der drei Kontinente Afrika, Asien und Latainamerika.

Im wesentlichen betreiben die USA zur Zeit folgende Politik gegen die Länder des "Trikonts":

  1. Sie werden dazu benutzt, das Konfliktniveau in der Ost-West Auseinandersetzung zu manipulieren.

  2. Sie werden zunehmend durchkapitalisiert mit den fatalen Folgen der Vernichtung der Subsistenzwirtschaft. Die ungerechten Austauschverhältnisse auf dem Weltmarkt führen über die Verschuldung in eine kaum zu überwindende Abhängigkeit, die Umstrukturierungskosten der US-Wirtschaft werden zu wesentlichen Teilen durch die armen Länder finanziert.

  3. Die inneren Ursachen revolutionärer Bestrebungen in den oftmals vorkapitalistischen Gesellschaften werden zumindest in der offiziellen Propaganda geleugnet, stattdessen wird in der Regel die sowjetisch-kubanische Verschwörung als Erklärungsschema verwendet. "Heute befindet sich jedes vierte Land der Welt im Krieg. In praktisch jedem Fall verbirgt sich das Gesicht dieser Kriege hinter einer Maske. Und in praktisch jedem Fall verbergen sich hinter dieser Maske die Sowjetunion und diejenigen, die ihre Arbeit besorgen." l

  4. Gleichzeitig werden "Demokratisierungen" von Rechtsdiktaturen, d.h. die Machterhaltung der alten Eliten und des Militärs bei gleichzeitiger Integration bürgerlicher Schichten von den Philippinen bis Südkorea, von Argentinien bis Guatemala initiiert. Mit diesem Schritt einer modernisierten präventiven Konterrevolution wollen die Strategen des US-Imperialismus das Erstarken der revolutionären Kräfte aufhalten.

Low Intensity Conflict-Strategie, Krieg bis ins Jahr 2000

Manifestiert hat sich diese aktiv (Beispiel Nicaragua) und präventiv (Beispiel El Salvador) konterrevolutionäre Politik in der Low-Intensity-Conflict-Strategy (LICS) oder dem Krieg der niedrigen Intensität. Folgende Arbeitsdefinition wird von der US-Armee verwendet: "Die LIC-Strategie (bekannt als die Reagan-Doktrin, d.V.) ist die begrenzte Anwendung von politisch-militärischer Gewalt, um politische, soziale, ökonomische und psychologische Ziele zu erreichen." 2 Die begrenzte Anwendung von Gewalt senkt die Interventionsschwelle für die USA und gleichzeitig die Gefahr, in einen konventionellen Krieg verwickelt zu werden. Das aktuelle Laboratorium für diese Art der unkonventionellen Kriegsführung ist Zentralamerika. Die dort gewonnenen Erkenntnisse dienen zur Verfeinerung und Weiterentwicklung der Doktrin. Mit anderen Worten, bereits heute führen die USA einen regionalen Krieg im Rahmen der LIC-Strategie nicht nur gegen Nicaragua mit Hilfe der Contras, sondern mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung in allen Ländern des Isthmus.

US-amerikanische Militärstrategen unterscheiden zwischen vier Kategorien zwischenstaatlicher Beziehungen, Frieden, Krieg der niedrigen Intensität, Krieg der mittleren Intensität (erklärter, konventioneller Krieg) und Krieg der hohen Intensität (taktischer und strategischer Atomkrieg). 3 Die LIC-Strategie ist langfristig und regional angelegt, was die Galleonsfigur der US-Rechten, Jeanne Kirkpatrick so beschreibt: "Die US-Öffentlichkeit wird ihre Ansicht ändern müssen, daß Frieden normal und Krieg und Gewalt die Außnahme sind." 4 (Gemeint sind damit vor allem Zustände der verlängerten indirekten US-Intervention). Der militärische Sieg wird in der LIC-Strategie nicht traditionell als Gewinn von Territorium definiert, sondern als "gewünschte Verhaltensänderung in der Zielgruppe der Bevölkerung". 5 Um dieses Ziel zu erreichen, wird der Kriegsbegriff vom rein Militärischen in andere Bereiche ausgeweitet, auf die Ökonomie, die Psychologie und die Politik, eben als "Totaler Krieg auf Graswurzelebene", 6 so der LIC-Experte Oberst Waghelstein. LIC-Strategie ist "politische, ökonomische und psychologische Kriegsführung, wobei das Militärische oft an vierter Stelle kommt". 7 Die militärische Ebene wird bewußt an vierter Stelle genannt, denn, so Waghelstein "wann immer wir US-Streitkräfte in eine LIC-Situation verwickeln müssen, haben wir strategisch die Initiative verloren." 8 Es geht also um die Verhinderung einer revolutionären Dynamik, deren Entwicklung ein konventioneller Eingriff der US-Armee sicher fördern würde.

In der LIC-Strategie soll die Konkurrenz zwischen nichtstaatlichen humanitären Institutionen, dem staatlichen Entwicklungshilfedienst (AID) und dem Militär aufgehoben werden. Oberstleutnant Caldon vom US-Südkommando in Panama hat dies erkannt. "Zu häufig ertappen wir uns dabei, die gleichen Fehler der Geschichte zu wiederholen, nämlich indem wir versuchen, die Maßnahmen, die der inneren Verteidigung dienen, und die Maßnahmen, die der inneren Entwicklung dienen, voneinander zu trennen. Aber sie können nicht getrennt werden. Sie müssen als Ganzes betrachtet und verfolgt werden... Was wir heute in Zentralamerika brauchen ist, diese Maßnahmen alle zusammenzubringen." 9 Eine Koordinierung der unterschiedlichen am Kriege beteiligten Institutionen und eine Umstrukturierung der US-Streitkräfte sind also eine Voraussetzung wirkungsvoller Maßnahmen in der umfassenden Strategie. Militärische Institutionen wie das Verteidigungsministerium, die Special Operation Forces (die Spezialeinheiten der US-Armee für unkonventionelle Kriegsführung), die CIA, die staatliche Informationsbehörde (USIA), zivile Ministerien, das Außenministerium, die Agency for International Development (AID) und auch nichtstaatliche Organisationen der Neokonservativen und der Neuen Rechten wie z.B. die antikommunistische Weltliga, die Freunde Amerikas (FoA), die Söldnergruppe Soldiers of Fortune werden durch den nationalen Sicherheitsrat der USA koordiniert. In Reagans Amtszeit wurden sogenannte "interagency groups" im Verteidigungs- und Außenministerium sowie dem nationalen Sicherheitsrat eingerichtet. Dem Außenministerium fiel beispielsweise die Terrorismusbekämpfung zu. Durch eine Direktive des nationalen Sicherheitsrates unter Reagan (NSDD-138, April 1984) wurde Terrorismus als Bestandteil des Krieges definiert, der mit der LIC-Strategie bekämpfbar sei. Bis Oktober 1983 (Anschlag auf die US-Marines in Beirut) wurde "Terrorismus" unterhalb der Kriegsschwelle eingestuft. 10 Das Außenministerium richtete daraufhin zwei Büros ein: das Sicherheitsbüro, zuständig für US-Staatsbesitz und Personal im Ausland und das Büro zur Planung in Notfällen und für antiterroristische Maßnahmen, in dem die interministerielle Gruppe zur Terrorismusbekämpfung (IG/T) tagt. ll Ihr gehören als permanente Mitglieder an: Der Nationale Sicherheitsrat, das Verteidigungs-, Energie-, Justiz-, Handels- und Luftfahrtministerium, die CIA, das FBI, die Nationale Drogenpolizei (DEA), der Vereinigte Generalstab und das Büro des Vizepräsidenten. Die Aufgabe der IG/T ist es, passende Aktivitäten für ein bestimmtes Land auszuwählen und diese mit den Aktivitäten anderer staatlicher Institutionen zu koordinieren. Der Chef der Gruppe, Robert Oakley setzt auf LIC-Strategie: "Militärische Aktionen benötigen nicht notwendigerweise amerikanische Kräfte. Deshalb legen wir so großen Wert auf Polizei- und Militärausbildung in anderen Ländern." 12 Diese "Argumentation" überzeugte auch den Kongreß, ein Gesetz zur Terrorismusbekämpfung in Zentralamerika zu verabschieden. Gleichzeitig wurden 21 Mio. Dollar für Polizei- und Militärausbildung in El Salvador, Guatemala, Honduras und Costa Rica bewilligt. 13 In diesem "demokratischen" Befriedungsprozeß im Rahmen der LIC-Doktrin mischt übrigens auch die Bundesrepublik kräftig mit. 5 Mio. DM Ausbildungshilfe und 5.35 Mio. DM Ausrüstungshilfe erhielt Guatemala 1987 aus BMZ-Mitteln für den Ausbau seiner Polizei. 14 Die Verpolizeilichung von Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen folgt der inneren Logik der LIC-Doktrin. Gut ist es, einheimische Truppen statt US-Militär gegen Aufständische einzusetzen, besser ist es, Polizei statt Militär gegen soziale Bewegungen in den Großstädten einzusetzen, und am besten ist es, die Bevölkerung in "Zivilpatrouillen" auf sich selbst aufpassen zu lassen.

Die politische Ebene der LIC-Strategie

In Sonntagsreden hört sich die Politik der USA gegenüber den Ländern des Trikonts in der Regel so an: "Unsere Politik ist es, Demokratie, Reform und Menschenrechte zu fördern ..., um ein Sicherheitsschild gegen die, die mit Gewalt Tyrannei zu verbreiten versuchen, aufzubauen ... Die vitalen Interessen unserer Nation und unsere moralische Verantwortlichkeit fordern uns, zu unseren Freunden in ihrem Kampf um Freiheit zu stehen." 15

Die Politik der USA auf dem Isthmus orientiert sich jedoch wenig an bürgerlichen Demokratievorstellungen, wichtiger ist die Orientierung an der LIC-Strategie. Dr. Sam Sarkesian, ein führender Experte auf diesem Gebiet, bringt es auf den Punkt: "Die nationalen Führer (der USA, d.V.) und die Öffentlichkeit müssen verstehen, daß Konflikte niederer Intensität sich nicht in demokratische Taktiken und Stategien einfügen. Revolution und Konterrevolution entwickeln ihre eigene Ethik und Moral, die alle Mittel zur Erlangung des Erfolges rechtfertigen. Überleben ist die letztendliche Moral." 16 So ist es kein Wunder, daß vom ersten Tag der Befreiung Nicaraguas durch die FSLN, ja sogar bereits davor, die Sicherheitspolitiker der USA nur der Gedanke bewegte, wie die Sandinisten am wirkungsvollsten beseitigt werden könnten. Die herrschenden Kreise der USA waren nie an einer Verhandlungslösung der Konflikte in Zentralamerika interessiert. Ihr Ziel ist der langfristige Sieg über, nicht der Kompromiß mit den revolutionären Kräften der Region. "Das Ziel von Verhandlungen ist es, unsere nationale Sicherheit und unsere nationalen Interessen zu sichern. Wir werden keine unserer eigenen Interessen in Zentralamerika wegverhandeln. Wir werden das brutale, kommunistische Regime in Nicaragua nicht akzeptieren." 17

Falls also Verhandlungen zwischen den USA und Nicaragua geführt werden sollten, so sind sie als Bestandteil der LIC-Strategie zu betrachten und dürften von US-Seite wohl kaum über die Forderung nach der Kapitulation der Sandinisten hinausgehen, es sei denn, die Kräfteverhältnisse in den USA veränderten sich. So befinden sich die fortschrittlichen Kräfte Zentralamerikas, vor allem aber die Sandinisten nach dem mittelamerikanischen Friedensabkommen von Esquipulas, dem sog. Arias-Plan in dreifacher Gefahr:

1. Die sandinistische Regierung soll in einen Anpassungsprozeß gedrängt werden, die Befreiungsbewegungen El Salvadors und Guatemalas auf einen institutionellen Kompromiß und die Aufgabe des bewaffneten Kampfs festgelegt werden mit der Aussicht auf Entwicklungshilfe vor allem aus EG-Staaten für Zentralamerika.

2. Esquipulas II eröffnet der "Inneren Front" Nicaraguas unbeschränkten Entfaltungsspielraum.

3. Esquipulas II könnte die politischen Voraussetzungen für eine militärische Lösung verbessern, indem Nicaragua und den Befreiungsbewegungen URNG und FMLN Bedingungen diktiert werden, die für diese unannehmbar sind. Damit wäre die Schuldfrage geklärt. Die Situation Ende 1987 deutet diese Möglichkeit an. Obwohl es nicht dem Vertrag entspricht, lassen die USA durch den von ihnen völlig abhängigen Staatspräsidenten von Costa Rica, Arias, den Vertragstext dahingehend umdeuten, daß die Sandinisten mit den Contras direkte Verhandlungen aufzunehmen hätten. 18 Direkte Verhandlungen mit den Contras, einem "Instrument der US-Regierung, speziell der CIA", 19 sind sinnlos. Wenn die Contras gegen einen Waffenstillstand sind, d.h. im laufenden Friedensprozeß trotz Amnestie weitermorden 20, so heißt das nur, daß die Regierung der USA gegen einen Waffenstillstand ist. Ebenfalls dafür spricht die Drohung von US-Außenminister Shultz, den Contras 1988 offiziell 270 Mio. US Dollar zukommen zu lassen.

Die "innere Front" Nicaraguas kann sich durch die Aufhebung des Ausnahmezustands frei entfalten und damit zur inneren Destabilisierung Nicaraguas beitragen. Mit der bestens aus dem Ausland - z.B. auch durch die Konrad-Adenauer Stiftung 21 - finanzierten "Inneren Front" sind die Kirchenhierarchie, die Christlich-Soziale Partei (PSC), der Unternehmerverband COSEP, die kleinen, "gelben" Gewerkschaftsverbände CUS und CTN, die "Menschenrechtsagentur" CPDH und die CIA-beeinflußte Zeitung "La Prensa" gemeint. So rief der Vorsitzende von COSEP, Enrique Bolanos auf einer Versammlung von Kirchenleuten, Unternehmern und Oppositionsparteien in Matagalpa dazu auf, "die Sandinisten zu stürzen und eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden." 22

Die ökonomische Ebene

Alle Länder Mittelamerikas stecken in einer tiefen strukturellen Wirtschaftskrise, die durch die neokoloniale Abhängigkeit von den westlichen Industrienationen und dem dramatischen Rückgang der Rohstoffpreise bei steigenden Preisen für Industriegüter auf dem Weltmarkt gekennzeichnet ist. Bei der Vergabe von Wirtschaftshilfe an diese Länder wird aber nach politischen und militärstrategischen Gesichtspunkten und nicht nach den Eckdaten der Ökonomie entschieden, da auch das Feld der Ökonomie durch die LIC-Strategie ein zentraler Kriegsschauplatz in Mittelamerika geworden ist. Daher verwundert es nicht, daß die Eckpfeiler der US-Wirtschaftspolitik die Förderung der Verbündeten in enormem Umfang durch die Gewährung von Krediten und Entwicklungsprogrammen einerseits und das Embargo und die Wirtschaftssabotage gegen den Kriegsgegner, speziell Nicaragua andererseits, darstellen. El Salvador als am meisten gefährdeter Verbündeter erhielt 1987 sensationelle 752 Mio. Dollar Wirtschafts- und Militärhilfe aus den USA. 23 Auch Hilfe der Bundesrepublik hat für El Salvador strategische Bedeutung. Von den 148 Mio. DM Entwicklungsgeldern werden unter anderem Kommunikationssysteme mit militärischer Bedeutung gefördert. 24 Alle Entwicklungshilfe soll nach dem Willen der salvadorenischen Militärs für den Befriedungsplan "Unidos para reconstruir" (Vereint zum Wiederaufbau) verwendet werden. Honduras stand Ende 1987 in Verhandlungen mit den US-dominierten Institutionen Weltbank, IWF und Interamerikanischer Entwicklungsbank über die Vergabe von Krediten von insgesamt 770 Mio. Dollar 25. Ohne die ständigen Geldinfusionen wären diese Staaten bereits bankrott, ein Zustand, der sicher nicht dem angestrebten Ziel der Befriedung dienlich wäre. Die Gelder werden u.a. für Civic-Action Programme (etwa: Zivile Aktionen) verwendet, d.h. für interne Entwicklungsprogramme, die zur "Nationbuilding" (etwa: Schaffung guerillafeindlicher Strukturen durch den Aufbau von staatstragenden Institutionen) beitragen sollen. Wesentliche Ziele der Civic-Action beinhalten, so der LIC-Kritiker Tom Barry: 1. Die Verbesserung der öffentlichen Meinung über das Militär, 2. die Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Lande und 3. die Förderung des Aufbaus starker nationaler Institutionen, die in der Lage sind, internen revolutionären Herausforderungen zu widerstehen. 26

Der Wirtschaftskrieg gegen Nicaragua dagegen ist allumfassend: Erstens erhält Nicaragua im Gegensatz zum bankrotten Honduras keine Kredite internationaler Kreditinstitute mehr. 27 Zweitens besteht seit Mai 1985 ein totales Wirtschaftsembargo der USA gegenüber Nicaragua mit verhängnisvoller Wirkung auf die von US-Technik abhängigen Sektoren. Die direkten Kosten des Embargos beliefen sich nach Angaben des nicaraguanischen Außenhandelsministeriums im ersten Jahr auf 93 Mio. Dollar. 28 Die Entwicklungshilfe der Nato-Verbündeten wurde eingeschränkt bzw. völlig gestoppt, in der BRD sogar noch unter sozialliberaler Regierung. Drittens ließ die CIA gezielt Wirtschaftssabotage gegen unersetzliche Anlagen betreiben, wie z.B. die Verminung der Häfen und der Angriff auf Nicaraguas einzige Raffinerie. Die Verminung der Häfen war so stark CIA-dominiert, daß nicht einmal nicaraguanischen Rebellen beteiligt waren. 29 Fünftens ist ein Hauptziel des Low-Intensity Krieges durch die Contras die Verhinderung einer ökonomischen Entwicklung Nicaraguas. Die Schäden des Krieges belaufen sich für den Zeitraum von 1981-87 nach nicaraguanischen Angaben auf insgesamt 1,715 Mrd. Dollar. 30 Die inflationären Dekompensationserscheinungen und Angebotsverknappungen auf dem Binnenmarkt lassen sich wiederum sinnvoll einbringen in die Desinformationskampagnen im Rahmen der psychologischen Kriegsführung.

Die psychologische Ebene

Die Aufgabe der Public Relation und der Psychokrieg

Das operative Moment der LIC-Strategie stellt die Bevölkerung der Länder dar, der Sieg die gewünschte Verhaltensänderung. Von daher erhalten Desinformationsprogramme in Mittelamerika vorrangige Bedeutung. "Public Relation Programme sollten sowohl in dem betreffenden Land wie auch zu Hause erfolgen, um zu zeigen, daß der Konflikt von dem Westen feindlich gesonnenen Kräften verursacht ist." 31 Die Medien für die PR-Programme sind die in Honduras und Costa Rica installierten Contrasender "Radio 15. September", "Radio Impacto", "Radio Liberacion", noch einige kleinere Sender und innerhalb Nicaraguas die mit Methoden der unterschwelligen Beeinflussung arbeitende rechtsoppositionelle Zeitung "La Prensa" und das "Radio Catolica" der Kirche. In den USA mußten sich die Befürworter des Kriegs gegen Nicaragua immer gegen eine liberaldenkende Opposition durchsetzen. "Die US-Öffentlichkeit ist eines der Hauptziele der Low-Intensity-Kriegsführung." 32

Gleichzeitig mußte das zerbrechliche Rechtsbündnis der Reagan-Administration gestärkt werden. "Das Image von Zentralamerika unter der Attacke von gottlosen Kommunisten wurde geschaffen, um die schwankende Allianz zu retten. Die neue religiöse Rechte betrachtete Nicaragua als die zentrale Schlacht im heiligen Krieg um die Verteidigung des christlichen Westens." 33

Gegen das "am meisten Besorgnis erregende Problem", den "Kampf um die Hirne der Menschen in den USA" 34, entstand als praktisches Gegengewicht zur liberal-demokratischen Opposition eine publicityträchtige Spendenkampagne der Neokonservativen und Neuen Rechten zur Unterstützung der "Freiheitskämpfer". Diese Kampagne sollte den Eindruck eines öffentlichen Konsenses innerhalb der USA erwecken. Die US-Regierung benützte ihre Macht dazu, auf zweifelhafte Reportagen gestützte Diffamierungen der Sandinisten und der Befreiungsbewegungen medienwirksam einzusetzen. Der CIA-Agent David Mc Michael quittierte seinen Dienst, weil er keine Anhaltspunkte für unterstellte Waffenlieferungen Nicaraguas an die FMLN in El Salvador finden konnte. Diese Behauptung diente und dient der Reagan-Administration immer wieder dazu, Gelder für den Contrakrieg im Kongreß durchzusetzen. 35 Die Inhalte der Diffamierungen sind besonders ausgewählt und sollen spezifische Wirkungen haben, so z.B. der Begriff "Terrorismus". Bereits 1981 hatte der Begriff "Terrorismus" den Begriff Menschenrechte als Eckpfeiler der US-Außenpolitik ersetzt. 36 Die Revolutionen der geopolitisch unbedeutenden Länder Zentralamerikas stellen objektiv keine Gefährdung der nationalen Sicherheit der USA dar. Deshalb ist es schwierig, eine breite öffentliche Unterstützung für die menschenverachtende, imperiale Aufstandsbekämpfungspolitik der USA in Ländern wie Guatemala oder El Salvador zu finden. Der Begriff "Terrorismus" soll diese angebliche Bedrohung für jeden einzelnen US-Bürger erfahrbar machen durch das Schüren irrationaler Ängste.

Im Frühjahr 1985 eskalierte die "Terrorismus"-Rhetorik gegenüber Nicaragua und der FMLN in El Salvador. Der Miami Herald publizierte einen Bericht, in dem Nicaragua Verbindungen zu den Roten Brigaden, der RAF, der ETA und der PLO nachgesagt wurden. 37 Nach der Erschießung von vier Marines in San Salvador im Juli 1985 begannen "Regierungsmitglieder, die salvadorenischen Guerillas und ihre vorgeblichen Unterstützer in Nicaragua als Terroristen zu bezeichnen, um jeden zukünftigen Militärschlag unter dem rhetorischen Regenschirm der Reagankampagne gegen den Terrorismus zu bekommen ... Wir haben alles Recht, gegen Terroristen vorzugehen." 38 Für antiterroristische Maßnahmen ist es eben leichter, eine breite Unterstützung zu bekommen als für schmutzige Aufstandsbekämpfung.

Mit der gleichen Logik verhängte Ronald Reagan am 1.5.85 bei seinem BRD-Besuch wegen der "außergewöhnlichen Bedrohung Nicaraguas für die Sicherheit der USA" 39 ein vollständiges Handelsembargo gegen den "Country-Club für Terroristen". 40 Die Terrorismuskampagne gegen Nicaragua wurde noch erweitert um den Begriff "Narcoterrorismus". "Alle amerikanischen Eltern werden empört sein, daß führende nicaraguanische Regierungsmitglieder tief in den Drogenhandel verwickelt sind 41", so Ronald Reagans Behauptungen, die längst widerlegt wurden.

Die Schaffung des Begriffs "Narcoterrorismus" und seine Verwendung gegen Nicaragua hatte mehrere Vorteile: Erstens sollte das "anständige" Amerika der "moralischen Mehrheit" über eine Dämonisierung der Sandinisten als Drogendealer - als Bedrohung für die eigenen Kinder sozusagen - die Kriegspolitik gegen Nicaragua gutheißen, zweitens wird eben dieser Krieg als Maßnahme der Selbstverteidigung und des Schutzes der Kinder vor Drogen legitimiert und drittens wird von den Verwicklungen der CIA und der Contras in Kokain/Waffengeschäfte abgelenkt. 42 Allein aus dem Kokain-Kartell in Medellin, Kolumbien, erhielten die Contras 10 Mio. US Dollar. 43

Ein anderes Beispiel für eine psychologische LIC-Operation ist die sogenannte Menschenrechtskampagne. Die Menschenrechtskampagne, d.h. die fortwährenden Vorwürfe gegen Nicaragua wegen angeblicher Kirchenverfolgung und Folterungen, war mehr für die WesteuropäerInnen bestimmt. Sie diente als zentrales Argument, um die von einzelnen westeuropäischen Ländern noch immer geleistete Entwicklungshilfe und die an Bedeutung gewinnende Nicaragua-Solidarität, zwei strategische Faktoren im Krieg, moralisch und medienwirksam angreifen zu können. (Siehe dazu: "Menschenrechtskampagne") In den USA ist diese Kampagne weniger erfolgreich wegen der intensiv arbeitenden unabhängigen Menschenrechtsgruppen wie "Witness for Peace", "Washington Office of Latin America", "Americas Watch" und anderen. Außerdem bekennt sich die US-Regierung im eigenen Land viel offensiver zu den imperialen Grundlagen ihrer Politik. "Mit der Menschenrechtssituation im somozistischen Nicaragua oder derzeit in El Salvador konfrontiert, dürfen wir nicht nur an die interne Situation denken, sondern müssen überlegen, wie das fragliche Land in das System der Ost-West Beziehungen eingefügt ist. Ich kann hier bestätigen, daß die Regierung ihre Menschenrechtspolitik in den Ost-West Kontext stellt ..." 44, so der Unterstaatssekretär im US-Außenministerium Elliot Abrams.

"La Prensa", Desinformation und unterschwellige Propaganda

Nachdem wir die psychologische Kriegsführung in den USA und in Westeuropa im Rahmen der LIC-Strategie untersucht haben, wenden wir uns der "Inneren Front" Nicaraguas zu. Die Oppositionszeitung "La Prensa" arbeitet dort - zensiert oder unzensiert - mit den CIA-Techniken der Desinformation. Desinformation bedeutet Propaganda in Nachrichtenform verpackt, und damit als solche nicht ohne weiteres zu erkennen, unterschwellige Beeinflussung bedeutet die Veränderung von Affekten und Gefühlen der Lesenden, ohne daß sie sich dessen bewußt werden. Diese Techniken existieren bereits seit Jahrzehnten, sie wurden von der LIC-Strategie übernommen und perfektioniert. Daß "La Prensa" nicht nur CIA-Techniken verwendet, sondern unter direkten Einfluß der "Company" steht, weiß auch der ehemalige FDN-Sprecher Edgar Chamorro zu berichten: "Sehen Sie sich die Zeitung an: den Titel, die Aufmachung. Da steht eindeutig die CIA dahinter. Sie bringen Meldungen, die das Scheitern des mittelamerikanischen Friedensplans zum Ziel haben." 45

Kurz nach dem Sieg der Sandinisten wechselten etwa 70% der Belegschaft von "La Prensa" zum neugegründeten, prosandinistischen "Nuevo Diario". Die Art der Berichterstattung und das Lay-Out von "La Prensa" änderten sich völlig, aus einer eher konservativen Zeitung wurde ein Sensationsblatt. Die Hauptschlagzeilen erhalten negative lnhalte: das wirtschaftliche Chaos, (geschaffen durch die ökomische Kriegsführung der USA, durch Embargos usw.) und das soziale Chaos, das in Form von immer wieder geschehenden, "irrationalen" Ereignissen wie Gewalt, Chaos, übernatürliche Vorgänge, Omen ... auf die Titelseite gebracht wird. Diese Aufmachung der Titelseiten, die stark an Flugblätter aus dem Vietnam- oder dem Zweiten Weltkrieg erinnert, schafft ein Klima der Spannung. Als nächster Schritt wird die Ideologie der Regierung für das Chaos verantwortlich gemacht, dann die Regierung selbst, anfangs aber nur verdeckt, d. h. in Form von Scherzen und bildlicher Insinuation (damit ist beispielsweise das Nebeneinanderstellen von Fotos von Regierungsmitgliedern neben ausgeprägte Negativschlagzeilen oder Fotos von Ermordeten gemeint). Bei diesen Regierungsmitgliedern, der Zielscheibe des Angriffs, handelt es sich meist nicht um den Staatspräsidenten, sondern z.B. um den Außenminister Pater Miguel D'Escoto. Er ist ein wichtiger Angriffspunkt im Hinblick auf eine Entfremdung zwischen christlicher Bevölkerung und der Regierung. Ein breites Mißtrauen in der Bevölkerung gegen die als moralisch integer angesehenen Geistlichen in der Regierung wäre bereits ein wichtiger Etappensieg für die LIC-Strategen. Bereits am 16.8.1981 berichtete "La Prensa", daß Pater Miguel D'Escoto die katholische Kirche beschimpft und beleidigt hätte, eine Meldung, die vom Pater kategorisch dementiert und niemals von anderer Seite bestätigt wurde. Durch Verwendung von retuschierten Fotos, Symbolen und Schlüsselworten sollen mit Hilfe von Assoziationsketten die vertrauten Persönlichkeiten mit neuen Begriffen besetzt werden (im Sinne einer Konditionierung nach der behaviouristischen Verhaltenstherapie). "La Prensa" veröffentlichte am 18.3.1981 ein Photo vom Außenminister, das durch Retuschierungen sein Doppelkinn stark hervorhob, mit der Bildunterschrift "sehr gesund und sehr optimistisch". Direkt darunter befand sich das Foto einer Nicaraguanerin auf dem Krankenbett mit der Überschrift: "Golgatha einer Unschuldigen. Hat unser Volk dafür gekämpft?" Der wohlgenährte, pharisäerhafte Minister und der Kreuzweg eines leidenden Volkes. Solche und ähnliche Parabeln werden immer wieder unter Zuhilfenahme christlicher Symbolik - des Kreuzes und die heiligen Jungfrau - von der "La Prensa" verwendet. Zum Symbol des Keuzes das Handbuch der US-Armee für psychologische Operationen: "Unter Christen ist das christliche Kreuz als Symbol wirkungsvoll, weil es graphisch das Leiden und Sterben Christus für die Menschen repräsentiert." Die Ziele dieser Desinformation gegen den nicaraguanischen Außenminister sind also das Schaffen von Mißtrauen gegen ihn, einen Vertreter der Volkskirche, und die Stärkung der "Inneren Front" Nicaraguas durch die katholische Kirchenhierarchie. 46 Auch durch die jüngsten Entwicklungen hat sich nichts an Stil und Inhalt der "La Prensa" verändert. Allerdings ist sie offener, da völlig unzensiert, in die LIC-Strukturen integriert. Beispielsweise arbeiten 4/5 der Journalisten im Dienst der Contrasender in Tegucigalpa, San Jose und Miami. Pedro Joaquin Chamorro, der Vorsitzende der sog. "Resistencia Nicaragüense", dem Contradachverband, kann sich freimütig auf 3 Seiten über den bewaffneten und unbewaffneten Kampf gegen die "sandinistische Diktatur" 47 äußern.

Die militärische Ebene

Die "begrenzte Anwendung von militärischer Gewalt" wird in der LIC-Strategie in dreifacher Form eingesetzt, in Form von "Surrogatarmeen", zu denen die Armeen verbündeten Länder gehören oder irreguläre Streitkräfte wie die Söldnertruppe der Contras, in Form von Spezialeinheiten der US-Armee für unkonventionelle Kriegsführung, den Special Operation Forces (SOFs) und in Form von konventioneller Drohung durch Manöver. Wir wollen uns hier nicht den Contras zuwenden, die ja auch als Spezialtruppe der USA betrachtet werden können, sondern den SOFs selbst.

SOFs gibt es in allen drei Zweigen der Armee. Im Heer gehören z.B. die Ranger und die Green Berets dazu, bei der Luftwaffe die sogenannten Air Commandos und bei der Marine die SEAL-Truppen, d.h. leichte Teams für den kombinierten See-, Boden- und Luftkampf. 48 Die SOFs werden vor allem für chirurgische Schläge, "gegenterroristische" Maßnahmen, psychologische Operationen, Manöver und im speziellen Fall Nicaragua für den geheimen Aufbau und die Belieferung der Contras gebraucht. 49 Beispiele für chirurgische Schläge und "gegenterroristische" Maßnahmen sind die Invasion Grenadas im Oktober 1983 oder der gescheiterte Versuch zur Befreiung der US-Geiseln im Iran 1980. Die SOFs stellen praktisch das militärische Rückgrat der LIC-Strategie dar. Dem daraus resultierenden erhöhten Bedarf an Spezialeinheiten hat die US-Armee durch einen verstärkten Ausbau der SOFs Rechnung getragen. Seit 1980 gibt es ein gemeinsames Oberkommando der SOFs in Fort Bragg (Carolina). Die Ausgaben der SOFs haben sich seit 1981 nahezu vervierfacht, die Anzahl der Soldaten stieg um 30% (SOF-Stärke: weltweit ca. 30.000). Bis 1990 soll die Truppenstärke der SOFs um 80% steigen. 50

Eine besondere psychologische Aktion der SOFs ist die Ausarbeitung und Verteilung des Handbuchs "Psychologische Operationen im Guerillakrieg". Dabei handelt es sich um ein überarbeitetes Handbuch der Schule für unkonventionelle Kriegsführung in Fort Bragg, das 1968 für die Green Berets erarbeitet wurde 51. Dieses gleichermaßen infame wie durchdachte Buch sollte die Contras zu selektiver Gewaltanwendung gegen die Bevölkerung veranlassen. Wegen der international bekannt gewordenen Grausamkeiten gegenüber der Zivilbevölkerung "mußten sie erzogen werden". In diesem Buch, dessen Autoren sich viel mit den Schriften Mao Tse Tungs, Che Guevaras usw. beschäftigt haben, wird der Charakter der LIC-Strategie besonders deutlich. Im Idealfall sollen die Contras praktisch als politisch-militärische Kraft wie eine Guerilla kämpfen.

Die Bedeutung der Manöver

Rund 70.000 US-Soldaten nahmen in den letzten fünf Jahren an den Dauermanövern in Honduras teil. 52 Die Funktion der Manöver verdeutlicht das Beispiel des "Big Pine II"-Manövers im Oktober 1983 in Honduras, das mit einem gemeinamen Vormarsch von US-Truppen, salvadorenischen, hondurenischen und Contraverbänden auf die nicaraguanische Grenze endete.

Diese Manöver waren nicht die Vorbereitung eines Krieges oder einer Invasion gegen Nicaragua, wie viele im Anschluß an die Landung von US-Truppen auf Grenada befürchteten, sie waren und sind Krieg wegen ihrer umfassenden, spezifischen Wirkungen auf das Militär, die Ökonomie und die Politik Nicaraguas. Sie dienten zum Ausbau der militärischen Infrastrukur der USA in Honduras und gleichzeitig konnten die Contras unauffällig mit dem benötigten Kriegsgerät ausgestattet werden, was sogar der rechtsgerichtete Lateinamerikareport zugibt. "Kürzlich mußten die US-Streitkräfte erklären, warum so viele Waffen bei den Manövern verlorengehen. Gerüchteweise heißt es, daß besagte Waffen auf Schleichwegen den antisandinistischen Contras zugespielt würden." 53 Und natürlich sind diese Manöver materielle Invasionsdrohung. Dieser durch die USA nun schon jahrelang aufrechterhaltene Zustand zwingt Nicaragua, mehr als 50 Prozent seiner Staatsausgaben für Verteidigung auszugeben, für den Aufbau und die Aufrechterhaltung konventioneller Verteidigungskapazitäten. Das bedeutet eine relative Verminderung der Mittel für die unkonventionellen Einheiten des Heeres. Gerade diese Einheiten aber, z.B. die BLIs werden aber wegen ihrer Flexibilität und dem regionalen Bezug zur Bevölkerung als effektivstes Mittel gegen die Contrabanden gebraucht. Als Folge der Invasionsdrohungen mußte die Regierung zur unpopulären Maßnahme der Wehrpflicht greifen.

Durch die hohen Verteidigungsausgaben hat sich die Versorgungslage der Bevölkerung massiv verschlechtert, haben die Sozialprogramme Kürzungen hinnehmen müssen. Parallel zu dem Manöver Big Pine II verteilten die Contras Flugblätter und sendeten Radioberichte mit dem Inhalt, "daß die Revolution nichts gebracht hätte außer Hunger und niedrigen Löhnen." 54 Mit solchen Maßnahmen soll die Unzufriedenheit in der Bevölkerung erhöht werden. Politisch stellten die Manöver einen Versuch dar, den Contadora-Friedensprozeß zu blockieren. Die Verhandlungen sollten in ihrer Bedeutung nicht über die Invasionsverhinderung hinaus geführt werden können. Damit konnte gut vom realen Krieg abgelenkt werden.

Low Intensity Warfare, Soft War oder Hardcore?

Die LIC-Strategie hebt die Trennung von Politik und Krieg auf, sie bedeutet die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Im Prinzip ist sie ein neuer Aufguß der Counterinsurgency-Politik der 60er Jahre. Es bedurfte der neuen Begrifflichkeit, um den bitteren Nachgeschmack der Niederlage in Vietnam zu vertuschen. Allerdings geht sie in Zielsetzung und Methoden über die herkömmliche Aufstandsbekämpfung hinaus. Zunächst einmal ist in LIC-Situationen der Einsatz von konventionellen US-Truppen, anders als in der klassischen Counterinsurgency zu Zeiten des Vietnamkriegs, nur kurzfristig und in Ausnahmesituationen vorgesehen. "Im Low Intensity War sind keine US-Truppen verwickelt. Außerdem kostet er nur eine geringe Summe Geld. Es ist LOW-risk-(niedriges Risiko, d.V.) Kriegsführung mit einem enormen politischen Profit." 55 Die LIC-Strategie ist damit also wesentlich risikoärmer, da der Nichteinsatz von US-Kampfverbänden antiamerikanische Stimmungen in den USA und international begrenzt. Im Idealfall liegt der Krieg praktisch unter der Wahrnehmungsschwelle der Weltöffentlichkeit. Nur deshalb kann er als Krieg "niedriger" Intensität beschönigt werden. Die Bevölkerung Mittelamerikas hat bei 100.000 Toten, 2 Millionen Flüchtlingen und 3-4 Mrd. Dollar Kosten sicherlich eine andere Wahrnehmung. Dennoch ist die LIC-Strategie die aggressivere Doktrin, eine Neuauflage des "roll-back", da ihre Strategen mit Hilfe der "Surrogatarmeen" die Rückgewinnung verlorengegangener Länder erhoffen (bzw. über ökonomische Zerrüttung, aktuelles Beispiel: Mozambique).

Die Strategie hat sich dem Stand der Technik angepaßt. Die Möglichkeiten der Datenverarbeitung und die übergreifende Koordinierung aller an der Kriegsführung Beteiligten durch die "Interagency Groups" erfordern umfassende Information. Waghelstein beschreibt das so: "Beim LIC darf man drei Dinge nicht vergessen, Nachrichtendienst, Nachrichtendienst und Nachrichtendienst." Der Zentralcomputer der Polizei in Guatemala Stadt ermöglicht es beispielsweise, einen Teil der städtischen Aufstandsbekämpfung in den Bereich des ausgebauten Polizeisektors zu verlagern. Das ermöglicht einen präziseren und selektiveren Einsatz staatlicher Gewalt, als die provozierenden Einsätze der Militärs. Diese Verpolizeilichung des Krieges erleichtert es den Militärs, bei Wahrung ihrer traditionellen Machtpositionen den Übergang zur "Demokratie" zuzulassen.

Die nun reichlich fließende Wirtschaftshilfe ermöglicht begrenzte Reformen. Diese Reformen sind Voraussetzung für die Bildung staatstragender Schichten, die sogenannte "Nationbuilding". Mittels der Demokratisierung soll die Bevölkerung in Staatstragende und Aufständische gespalten werden.

Der Erfolg der LIC-Strategien kann erst in einigen Jahren beurteilt werden. Die fehlenden militärischen Erfolge der Contra erklären sich nicht in einem Schema des kalten Krieges. Ihre militärische Niederlage ist auf keinen Fall als Parameter für ihre konterrevolutionäre Effektivität zu deuten, auch wenn sie nie eine breite Basis in der Bevölkerung Nicaraguas erlangt haben. Welch fatale Wirkung hätte beispielsweise ein Waffenstillstand oder der Stopp der ausländischen Hilfe für die Contras? Die Söldnertruppe würde sich als temporäres Problem erweisen, während beispielsweise die FMLN bei vergleichbaren Maßnahmen niemals in ihrer Existenz gefährdet wäre.

Die unterdrückte Bevölkerung Zentralamerikas wird "Demokratisierungen" skeptisch gegenüberstehen, solange sie in ihrem Kampf um Partizipation dem alten Repressionsapparat ausgesetzt ist. Demokratie heißt für sie zunächst einmal die verwirklichung der elementaren Grundrechte auf Leben, Arbeit, Bildung, Gesundheit usw. Hier liegt die Hauptschwäche der LIC-Strategie, aber auch jeder anderen möglichen US-Strategie, nämlich in den unauflösbaren Widersprüchen zwischen dem Interesse des US-Kapitals und der Bevölkerung Mittelamerikas. Die Ursache der Befreiungskämpfe liegt nicht in einer sowjetisch/kubanischen Verschwörung begründet - wie die Reagan- Administration so gerne ihre Politik legitimiert - sondern in der Frage der Besitz- und Unterdrückungsverhältnisse und der nach nationaler Unabhängigkeit von den USA. Dies haben die LIC-Strategen richtig erkannt. Nur die soziale Revolution kann diese Widersprüche überwinden, die LIC-Strategie dient zur Vernebelung. Angesichts der unauflösbaren Widersprüche müssen die USA zwangsläufig die militärische Auseinandersetzung forcieren, bzw. den Zustand der indirekten Intervention auf unabsehbare Zeit verlängern. Bei einer Fortsetzung der jetzigen Politik müssen wir in den nächsten Jahren deshalb mit verschärften militärischen Konfrontationen in Zentralamerika rechnen.

Anmerkungen

      Zur Einführung ins Thema empfehlen wir besonders: Michael T. Klare. Peter Kornbluh, Low Intensity Warfare, Pantheon Books, New York 1988 oder Jochen Hippler, Krieg im Frieden, Köln 1986

      1. Caspar Weinberger, The Phenomen of Low Intensity War, 14/15.1.86 zit.n. Jochen Hippler, Krieg im Frieden, Köln 1986, S. 44

      2. US-TRADOC, Okt. 1985, Pam 525-44 Im wesentlichen besteht ein 2-Parteienkonsens in den USA über die Anwendung der LIC-Strategie in Zentralamerika. Ihre unterschiedlichen Gewichtungen in der Politik ergänzen sich in der LIC-Strategie beinahe ideal. "Die amerikanischen Konservativen achten im wesentlichen auf zwei Faktoren, den ökonomischen und den militärischen, ..., die Liberalen ebenfalls, auf den politischen und den sozial-gerechten. Wenn du einen Aufstand bekämpfen willst, mußt du alle Faktoren beachten." (LIC-Spezialist Andy Messing in einem Interview mit "Mother Jones", April/Mai 1986). Genau dieses Zusammenkommen aller Faktoren erreichte die Zweiparteien- oder Kissinger- kommission zu Zentralamerika bereits im Januar 1984. In ihrem Bericht wird ganz offen das Ziel der kontrollierten Kriege und Entwicklungsprogramme in Zentralamerika formuliert: Wiederansiedlung der durch den Krieg entstehenden internen Flüchtlingsmassen in kontrollierten städtischen Quartieren, damit eine Durchkapitalisierung der Staaten durch Vernichtung der Subsistenzwirtschaft und Ansiedlung von Weltmarktfabriken in freien Produktionszonen an südostasiatische Modelle angelehnt erfolgen kann.

      3. Military Review, Januar 1986

      4. Jeanne Kirkpatrick, The role of the Sovjet Union in Low Intensity War, in: Proceedings of the LIW-Conference, 14/15.1.1986, Department of Defense

      5. Robert Kuppermann Assoc., Low Intensity War, Studie für US-TRADOC, 1983, S.21

      6. Oberst Waghelstein, ehem. Leiter der US-Militärs in El Salvador, zit. nach: NACLA, April/Mai 1986, S. 19

      7. ebd.

      8. General Morelli und Major Fergusson, LIW, an operational perspective, ebd.

      9. Oberstleutnant Caldon, US-Südkommando, ebd.

      10. Jeffrey Wright, zit. n. Tom Barry, Low Intensity Conflict, Albuquerque, USA, 1986, S. 28 Das Resource Center, Box 4506, Albuqu., NM 87 196 vertreibt hervorragende Materialien zum LIW und zu Zentralamerika in Englisch und Spanisch

      11. ebd.

      12. ebd., S. 29

      13. ebd.

      14. Guatemala-Komitee Berlin, Polizeiterror in Guatemala - Made in Germany, Berlin 1987, z. bez. über Lateinamerikazentrum, Crellestraße 22, 1000 Berlin 62 (ausführliche Dokument. zum Thema)

      15. George Shultz, zit. n. NACLA, Juli/August 1986, S. 15

      16. Dr. Sam Sarkesian, zit. n. Tom Barry, a.a.O., S. 15

      17. General Gordon Sumner, zit. n. NACLA, April/Mai 1986, S.46

      18. Zusammenfassugng ,der Vereinbarungen von Esquipulas II in ILA.Info, Dez. 1987, Tagesspiegel, 16.10.1987

      19. Edgar Chamorro, ehem.FDN-Sprecher, zit. n. NACLA, Juli/August 1986, S.25

      20. TAZ, 23.11.1987, 20 Tote, darunter einige Kinder bei Überfällen der letzten Tage (trotz Amnestie von 984 Häftlingen

      21. s. Kap. zu Stiftungen in diesem Buch

      22. die Tageszeitung, 26.8.1987

      23. Die TAZ, 2.2.1987, die USA finanzieren etwa die Hälfte des Staatshaushalts von El Salvador (TAZ, 18.9.1987)

      24. IDES Nr. 336, 1.5.1987 "El Salvador bekommt von der BRD 148 Mio. DM als finanzielle und technische Hilfe. Dieses Geld wird im Rahmen des Aufstandsbekämpfungsplans 'Unidos Para Reconstruir' ausgegeben. So ist die Einrichtung eines Fernmeldesystems in der Provinz La Paz vorgesehen mit einer starken militärischen Infrastruktur. Die Verbindung mit der Hauptstadt San Salvador, La Paz und dem Militärflughafen Ilopango soll gerichtet werden." BMZ Förderung für das Projekt: 13,8 Mio. DM

      25. IDES Nr. 363, 20.11.1987

      26. Tom Barry, a.a.O., S. 41

      27. z.B. Veto der USA in der Bank für inneramerikanische Entwicklung am 29.6.1983 auf ein Kreditgesuch Nicaraguas, Instituto de Investigaciones Economicas y Sociales, (INIES), Cronica de una guerra no imaginaria S. 30

      28. nic. Außenhandelsmin. Alejandro Martinez, zit. n. Mittelamerika Aktuell, Nr. 20, 1986

      29. INIES, aaO., S.31 f

      30. Angaben der UNO-Vertretung Nicaraguas

      31. Tom Barry, a.a.O., S. 13

      32. ebd., S. 59.

      33. NACLA, Juli/ August 1986, a.a.O., S. 16

      34. George Tanham, ehem. Präsident der Rand Corporation, LIW-exp. zit n. NACLA April/Mai 1986, a.a.O., S.40

      35. Noam Chomsky, Turning the Tide, Boston 1985, S. 110

      36. Alexander Haig, zit. n. NACLA, April/Mai 1986, S.40

      37. ebd., S. 41

      38. ebd.

      39. Chomsky, a.a.O., S. 144

      40. NACLA, April/Mai 1986

      41. Robert Oakley, zit. n. Tom Barry, a.a.O., S. 30

      42. ausführlich darg. in: Covert Action Information Bulletin. Who deals Drugs?, CAIB, Nr. 28, 1987

      43. Die TAZ, 1.7 1987

      44. Elliot Abrams, zit. n. Jenseits der Propaganda, Die Lage der Menschenrechte in Mittelamerika, Wuppertal 1987, S. 7 f

      45. TAZ, 31.10.1987

      46. Zum Abschnitt La Prensa bez. s. alle Quellen auf Fred Landis: CIA Media Operations in Chile, Jamaica und Nicaragua, CAIB, Nr. 16, deutsche Übersetzung Heinz Dietrich: Der Weg in den Krieg, US-Strategie in Zentralamerika, Oberursel 1982

      47. Tom Barry, a.a.O., S.23

      48. ebd.. S. 22

      49. ebd., S. 23

      50. Joane Omang, Aryeh Neyer, Psychological Operations in Guerilla Warfare, New York 1985, S. 28

      51. CIA-Agent John Kirkpatrick ebd., S.27

      52. Lateinamerikareport 11, 87, S. 33 (Diese Zahl ist enorm untertrieben, allein im Herbst 1987 sind rund 50.000 US-Soldaten eingesetzt)

      53. ebd.

      54. NACLA, April/Mai 1986, a.a.O., S. 31

      55. NACLA, Juli/August 1986, S. 16

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