Newsgroups: z-netz.datenschutz.spionage
Message-ID: <6-jq49reENB@1lange.link-goe.de>
From: G.LANGE@LINK-GOE.de (GIV c/o Gerhard Lange)
Subject: BRD/Medien/BND: Die willigen Helfer des BND
Date: Fri, 28 Aug 1998 22:23:00 +0100
Xref: news.online.de z-netz.datenschutz.spionage:397

Das heimliche Auge des BND

Ein Buch erregt Aufsehen: Der Friedensforscher Schmidt-Eenboom (Geheimdienstexperte, SPD-Mann, Nationalrevolutionär, Braunzonenvertreter, wird gemunkelt) untersucht die Verbindungen deutscher Journalisten zum Bundesnachrichtendienst. Er nennt prominente Namen - viel mehr aber auch nicht

Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Eigentlich ist alles gesagt. "Alles, was hier erzählt wird, beruht auf eigenen Recherchen. Namen sind meist absichtlich weggelassen. Wer in diesem Metier recherchiert, wer gar anschließend darüber schreibt oder spricht, muß wissen, daß dies gefährlich sein kann." Geschrieben hat das vor einem Dutzend Jahren Manfred Bissinger, heute Chefredakteur der Zeitschrift 'Die Woche'. Es sind die einleitenden Sätze seines Aufsatzes "Bundesnachrichtendienst: Warum so viele Journalisten für den Geheimdienst arbeiten". Manfred Bissinger stützte sich in seinem Aufsatz über die Verbindungen der Berufskollegen zu Geheimdiensten unter anderem auf eine lange Namensliste, die er einmal einsehen durfte. Kurz nach der Bildung der sozialliberalen Regierung in Bonn war eine Auflistung der "Pressesonderverbindungen" des Bundesnachrichtendienstes erstellt worden - der Kanzleramtsminister Horst Ehmke versuchte damals, das dunkle Treiben des skandalgeschüttelten Pullacher Nachrichtendienstes ein wenig auszuleuchten.

Ein Vierteljahrhundert später ist diese Liste, die mit Stand von März 1970 230 Verbindungen des BND mit wohlbekannten Redaktionsmitgliedern aufzählt, erneut Ausgangspunkt einer Veröffentlichung. Der Weilheimer Friedensforscher Erich Schmidt-Eenboom, ein ausgewiesener Kenner des Pullacher Geheimdienstes, hat sie zur Grundlage seines Anfang dieser Woche veröffentlichten Buches "Undercover - Der BND und die deutschen Journalisten" gemacht. Anders als Bissinger nennt Eenboom aber Namen - und prompt ist das neue Werk in aller Munde, hagelt es Dementis.

"Infam, wer da plötzlich alles ein Spion sein soll", protestierte beispielsweise der Bonn-Kolumnist der Bild-Zeitung, Mainhard Graf von Nayhauß. "Über mich steht", schreibt der Journalist empört im eigenen Blatt, "daß ich ... als BND-Konfident der Kategorie II, Deckname ,Nienburg` gegolten hätte. Beweis meiner Undercover-Tätigkeit: Ein Artikel aus den fünfziger Jahren gegen den Verfassungsschutz." Auch die Herausgeberin der Zeit, Marion Gräfin Dönhoff, ist in der Liste aufgeführt.

Ein ganzes Kapitel widmet Eenboom der First Lady des bundesdeutschen Journalismus. Er läßt sie selbst zu Wort kommen, läßt sie sagen, "ich weiß wirklich nicht, was damit gemeint ist". Dönhoff räumt ein, daß ein Mitarbeiter des BND "gelegentlich bei der Zeit vorbeikam und mit ... mir gesprochen hat, so, wie man mit irgend einem Fremden, der eine Zeitung besucht, spricht". Eines aber berichtet Schmidt-Eenboom nicht: wie denn die "voll tragfähige Verbindung" Dönhoffs zum BND ausgesehen haben könnte.

Statt dessen wirft der Autor der Journalistin vor, wohlwollende Porträts über den BND-Gründer Reinhard Gehlen verfaßt zu haben. Etwas nebulös flüchtet Eenboom sich denn auch in die Aussage, "die vorliegende Untersuchung soll jene oft verborgenen Episoden und Beziehungen aufdecken, die in ihrer Gesamtschau das Netzwerk der Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes erhellen, nicht etwa das Handeln der ins Visier genommenen Kontaktpersonen bewerten. In deren Leben sind die Kontakte zum Geheimdienst nur eine Facette. Für den BND hingegen addieren sich diese Facetten zu einem heimlichen Auge."

Die Pullacher Behörde sah sich ebenso genötigt, eine Stellungnahme abzugeben. "Aus der damaligen Praxis der Vergabe von Decknamen und V-Nummern für Journalisten, die mit dem Bundesnachrichtendienst gesprochen hatten, läßt sich keineswegs ableiten, daß Journalisten operativ für den Bundesnachrichtendienst tätig waren." Das hat Eenboom auch gar nicht behauptet - und das ist die Crux seiner "Untersuchung": Es ist nicht nachvollziehbar, worauf der Autor eigentlich hinauswill. Dem inszenierten Verdacht, die Pullacher Schlapphüte hätten über Journalisten PR in eigener Sache getrieben, darf man getrost die veröffentlichte Meinung über den BND entgegenstellen, die in aller Regel wenig schmeichelhaft für den Geheimdienst ausgefallen ist.

Natürlich waren und sind auch JournalistInnen den Geheimdiensten immer wieder unheimlich zu Diensten. Eenboom berichtet darüber aber nur am Rande. Ausdrücklich spart er sogar die aus, die unter der Legende "Journalist" für einen Geheimdienst arbeiten. Schmidt-Eenboom setzt auf prominente Namen: Dönhoff, Nannen, Wagner, Boehnisch, alle standen sie irgendwie in Verbindung mit dem BND. Irgendwie halt, Genaues weiß man nicht. Nur: Wer sollte das Buch kaufen, wären die Namen nicht aufgeführt?

* * *

"Die wußten vom Kontakt zum BND"

Der Geheimdienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom über den Umgang der Journalisten mit dem BND und den Fall der "Zeit" -Herausgeberin Dönhoff

taz: Herr Schmidt-Eenboom, wenn ich als taz-Redakteur von der BND Pressestelle Informationen erhalte, setze ich mich da schon einer Desinformationsstrategie des Geheimdienstes aus?

Erich Schmidt-Eenboom: Nein. Allerdings muß man für taz-Mitarbeiter wie für andere kritische Journalisten festhalten, daß eine offizielle Anfrage beim BND in der Regel nichts bringt.

Da sind wir doch schon beim Problem. Ohne inoffizielle Kontakte erhält ein Journalist keine Informationen.

Das sehe ich nicht so. Es geht ja nicht nur um die Berichterstattung über die Geheimdienste, sondern darum, daß der BND eine Art Journalistenholding über Agentenführer beschäftigte.

Sie beziehen sich in Ihrem Buch auf eine BND-Liste von 1970 mit sogenannten Pressesonderverbindungen. Die Kriterien scheinen schwammig. Hat da der BND einen Popanz aufgebaut?

Bei den Kategorien I (voll tragfähige, regelmäßige oder häufige Kontakte) und II (Formalkontakte, unregelmäßige Kontakte nach Bedarf) muß man von einem wissentlichen Kontakt zum BND ausgehen, zumal diese Journalisten ihre Agentenführer hatten. In allen Fällen, wo ich das nachprüfen konnte, war den Journalisten klar, daß ihnen ein BND-Abgesandter gegenübersaß. Bei den Fällen der Kategorie III (Zufallskontakte, Planung) wußten die Betroffenen das nur in Ausnahmefällen bzw. trat der BND über getarnte Pressebüros an sie heran.

Sie zitieren den Fall der Zeit-Herausgeberin Gräfin Dönhoff, die mit dem BND in Kontakt stand. Als Beweis für ihre Hofberichterstattung dienen Ihnen die Erinnerungen des BND-Präsidenten Reinhard Gehlen, der Dönhoff für ihre faire Berichterstattung lobte. Ist das nicht ein wenig dünn?

Das wäre es in der Tat, hätte mir Frau Dönhoff nicht selbst geschrieben, daß sie regelmäßig Besuch eines BND-Abgesandten bekommen hatte und auf Wunsch von Herrn Gehlen das einzige Interview anläßlich seines Dienstendes 1968 machen durfte. Dann schaut man natürlich kritisch in ihre Artikel, insbesondere zwei ganzseitige von 1963 und 1968, und stellt fest, daß Frau Dönhoff ihre unbestritten hohen journalistischen Qualitäten hat ruhen lassen. Sie lobte völlig unkritisch Gehlen als den Landedelmann mit dem Elektronenhirn und wusch den BND von einer Menge berechtigter Vorwürfe rein.

In der angloamerikanischen Literatur gibt es Literaten wie John le Carre, die ihre frühere Geheimdiensttätigkeit als patriotische Pflicht rechtfertigen.

Im Bereich der angelsächsischen Dienste ist es üblich, die Tätigkeit eines Auslandskorrespondenten für die Nachrichtenbeschaffung zu nutzen. Dagegen bin ich strikt. Nehmen Sie doch das aktuelle Beispiel Kongo. Dort wird Journalisten ihre Berichterstattung erschwert, weil die Regierung einigen Kollegen vorwirft, sie seien Spione. Das ermöglicht den Machthabern immer wieder, gegen das Korps der Auslandskorrespondenten vorzugehen, weil einige wohl für Auslandsdienste arbeiten.

Gab es eine BND-Geldliste für Journalisten?

Für die 70er Jahre kann ich das eindeutig bejahen. An der Spitze traf das August Hoppe, WDR-Politikchef, der monatlich 700 Mark steuerfrei und weiteres Geld für Unterquellen bekam. Hoppe ist ein schöner Fall für die publizistische BND-Eigensicherung. Er lud damals im WDR für eine Sendung über deutsche Nachrichtendienste seinen BND-Agentenführer und einen Historiker ein, der als erstrangige Quelle in der BND-Zentrale in Pullach geführt wurde.

Und heute?

Ich kann Fälle nachweisen, etwa den FAZ-Geheimdienstspezialisten Udo Ulfkotte, der von 1993 bis 1996 an der Heimatfront für den BND tätig war. Und der Präsident des BND, Hansjörg Geiger, hat erst im März dieses Jahres eine Weisung erteilt, wonach er sich vorbehält, über die Anwerbung von Journalisten zu entscheiden.

Wer hat Ihnen die Liste von 1970 gegeben?

Dazu nur soviel: Die Bereitschaft nach dem Ende des Kalten Krieges, so etwas aus dem Nachlaß herauszugeben, ist gewachsen.

Müssen Sie nicht ebenfalls damit rechnen, von BND-Quellen mißbraucht zu werden?

Man steht immer in der Gefahr, für Grabenkämpfe im Dienst in Anspruch genommen zu werden. Ich habe solche Hinweise allenfalls als Material für die Gegenrecherche genommen und sie nur dort verwandt, wo ich die Bestätigung der Gegenseite erhalten habe. Ansonsten wandern sie in den Papierkorb.

Interview: Severin Weiland

* * *

*

Ein Buch über den Bundesnachrichtendienst*
*und die Medien*
*Geschäfte auf Gegenseitigkeit*

Zwischen Politik und Medien lautet eine Grundregel: Geschäfte nur auf Gegenseitigkeit. Wer bestimmte Informationen erhalten will, muß sich immer auch ein Stück weit auf die Spielregeln einlassen, die die Gegenseite diktiert. In Bonn wird das Spiel in Hintergrundkreisen bis zur Perfektion betrieben. Politiker nehmen Einfluß, indem sie bestimmte Informationen weitergeben, um Debatten in Gang zu setzen, um Widersacher anzuschwärzen und zu Fall zu bringen. Oft ist der Journalist dabei auf sich allein gestellt: Was verwertet er, wie weit macht er mit, wann zitiert er eine Quelle anonym? Persönliche Eitelkeiten, Konkurrenzdruck und parteipolitische Nähe sind häufig wichtiger als die Verpflichtung, sich mit den sogenannten Mächtigen nicht gemein zu machen.

Unter verschärften Bedingungen arbeiten jene Kollegen und Kolleginnen, die im trüben Wasser der Geheimdienste fischen. Sie wissen, daß hier Informationen in der Regel zielgerichtet vergeben werden. Sei es, um in der Öffentlichkeit ein positives Bild über die Arbeit der Dienste herzustellen, sei es, um indirekt in Hauskämpfe der Geheimen einzugreifen. Der Satz, wonach die Wahrheit im Krieg als erste auf der Strecke bleibt, gilt in Teilen auch für die Berichterstattung über Geheimdienste. Dem Autor Erich Schmidt- Eenboom gebührt das Verdienst, einen Einblick in die Beziehungen zwischen Bundesnachrichtendienst und Medien ermöglicht zu haben. Einmal von jenen abgesehen, die sich ohnehin als PR-Agenten des Dienstes verstehen und sich häufig auch ein bescheidenes Nebensalär verdienten, überrascht doch, wie viele Journalisten sich auf das Geschäft des Gebens und Nehmens einließen - und noch immer einlassen. Darüber wird - bis auf wenige Ausnahmen - selten berichtet.

Weitaus beherzter ist die Branche, wenn es darum geht, die Überschreitungen anderer Berufszweige zu kritisieren. Sind die eigenen Methoden im Visier, stößt man im Mediengeschäft allzu häufig auf ein Kartell des Schweigens, zumindest der gegenseitigen Rücksichtnahme. Um so weniger kann es also überraschen, wie verhalten - von Ausnahmen abgesehen - Schmidt-Eenbooms Buch bislang aufgenommen wurde. Es zielt eben mitten ins Selbstverständnis der Medien, die von sich allzu gerne das Bild der unabhängigen vierten Gewalt zeichnen. Man darf wohl getrost behaupten, daß der Aufschrei größer gewesen wäre, wenn Schmidt-Eenboom sich anderen Verflechtungen gewidmet hätte: denen der Medien mit der Stasi.

Severin Weiland

aus: taz, v. 27. 08. 1998

* * *

Desinformanten

*Erich Schmidt-Eenboom hat ein Buch über willige Helfer*
*des BND in den bundesdeutschen Medien geschrieben*

Bis zum Regierungsantritt Willy Brandts 1969 betrachtete die CDU die Bundesrepublik mit einigem Recht als Parteieigentum. Für den BND, im bayerischen Pullach ansässig, gilt das mehr oder weniger bis heute: Aus einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für davongekommene Wehrmachts- und SS-Chargen wurde im Laufe der Jahre eine Altersversorgungseinrichtung der CSU - unabhängig davon, welches Parteibuch der BND-Präsident gerade hat. Gewollt oder ungewollt - nach außen wird das Bild einer bräsigen, von obskuren Seilschaften und durchgeknallten Antikommunisten bestimmten Pannen-Behörde gemalt. Von Waffenhandel, Mord und Verfolgung einzelner Personen ist selten die Rede. Auch Schmidt- Eenboom erwähnt nur am Rande, wie z.B. zwei BND Leute für den Abschuß eines afghanischen Regierungsflugzeuges plus Video in den 80er Jahren 10.000 Dollar zahlten. So war das schon unter Reinhard Gehlen und hörte unter Klaus Kinkel nicht auf

1969 mußte sich der Dienst mit der neuen Regierungsmannschaft aus SPD und FDP in Bonn arrangieren, was naturgemäß schwerfiel. Sozen als Chefs einer reichs- und bundestreuen Behörde - das ist in Bayern auch 1998 noch ein Ding wie der Gottseibeiuns. Es ging auch schlecht los: Der neue Kanzleramtsminister Horst Ehmke ließ sich aus Pullach eine Liste mit Namen von Joumalisten geben, zu denen man dort Vertrauen hatte. Die Liste wurde immer wieder mal erwähnt, Schmidt-Eenboem hat sie jetzt und machte ein Buch daraus. Auf ihr stehen z. B.: Reinhard Appel (ZDF), Peter Boenisch (Bild), Klaus Bölling (NDR, Regierungssprecher), Marion Gräfin Dönhoff (Zeit), Jens Feddersen (Neue Ruhr- Zeitung), Josef von Ferenczy (Verleger), Horst Hano (ARD), Karl Holzamer (ZDF), Herbert Kremp (Welt), Hagen von Lambsdorff (Spiegel). Paul Limbach (Focas), Enno von Loewenstern (Welt), Gerhard Löwenthal (ZDF), Horst Mahnke (Springer-Verlag), Armin Mohler (Publizist), Michael Naumann (designierter Kulturbeauftragter Gerhard Schröders), Henri Nannen (stern), Mainhardt Graf Nayhauß-Cormons (Bild), Lothar Rühl (Spiegel, stellv. Regierungssprecher), Paul Karl Schmidt, d. i. Paul Carell (Bild) u v.a.

Die Namen sind keine Sensation. Sie bestätigen nur, daß sich auch in den höheren Etagen der Bundesrepublik untereinander alle schon immer gut kannten. Das ist so in regierenden Bekanntenkreisen, war allerdings in der DDR - wie man weiß - ein besonderes Vergehen. Es wäre eher ein Skandal gewesen, wenn Sauermilch-Löwenthal nicht im Verein gewesen wäre. Und glaubhaft ist auch, daß Gräfin Dönhoff aus lauter Sympathie nette Artikel über Gehlen schrieb. Dazu brauchte es die förmliche Verpflichtung wahrlich nicht. Bei Schmidt-Eenboom ist noch einmal nachzulesen, wie man aus dem Sicherheitsdienst der SS direkt ins Management von Springer kam, wie Henri Nannen als SS-Propagandist startete und das Logo der »Aktion Südstern« für seine Zeitschrift wiederverwendete, welchen Rang die Deutsche Welle als Personal-Ablage des Dienstes stets hatte oder wie zärtlich der BND mit dem Münchner Merkur oder Focus umgeht. Warum der Autor den Spiegel für BND-kritisch hält, erklärt er nicht, nennt aber einige Vertrauensleute in dessen Redaktion Fazit: Keine alten Kamellen, aber auch nicht wirklich Neues. Auslandsquellen des BND standen ohnehin nicht auf der Ehmke-Liste, und es gibt ja noch ein paar mehr Geheimdienste und viele andere Desinformanten. Z. B. Herrn Brehmer und Herrn Bohnsack aus der Hauptverwaltung Aufklärung der DDR, die sich nach 1989 reuevoll bezichtigten, in den sechziger Jahren den KZ-Baumeister Lübke, seinerzeit Bundespräsident, »geschaffen« zu haben. Die Schaffung war nicht nötig, stellt Schmidt- Eenboom fest, Lübke nahm zweifelsfrei an KZ-Planungen teil. Hängen blieb: Lübke war Stasi-Opfer. Einen Job in Pullach haben Brehmer/ Bohnsack trotz des Übersolls wohl dennoch nicht erhalten. Man hat genügend eigene Leute für Desinformation, lehrt dieser Band.

Arnold Schölzel

Erich Schmidt-Eenboom: Undercover. Der BND und die deutschen Journalisten. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1998, 448 Seiten, DM 48

aus: junge welt, v. 27. Aug. 1998

* * *

junge Welt, Freitag, 28. August
1998, Nr. 200, Seite 3, ansichten

K O M M E N T A R

>

Der BND und die Journalisten: Wie war's bei Naumann?

>>

Der Schattenmann

Er kam, sah und bestimmte: Vor dem Erscheinen Michael Naumanns in Gerhard Schröders Schattenmannschaft war der Wiederaufbau des Berliners Stadtschlosses für die Sozialdemokraten kein Thema. Das änderte sich mit ein paar in die Fernsehkameras gesprochenen Worten des Schattenmannes, der unter einem Kanzler Schröder so etwas ähnliches wie ein Bundeskulturminister werden soll. Naumann, nach eigener Auskunft eine »Karteileiche« der SPD, stand plötzlich und nicht nur in dieser Frage für den Kurs der gesamten Partei. Diese Demonstration von Bevormundungskultur läßt Großartiges erwarten für Zeiten, in denen der heutige Angestellte des meinungsmachenden Holtzbrinck-Konzern in staatlichem Amt und Würden ist.
Besonders ungern gesehen sind Bevormunder natürlich dann, wenn niemand genau wissen kann, ob hinter ihnen nicht noch andere Bevormunder stehen. Im Falle des Michael Naumann gibt es da seit ein paar Tagen Erklärungsbedarf: Zu Wochenbeginn kam Erich Schmidt- Eenbooms Buch »Undercover. Der BND und die deutschen Journalisten« auf den Markt. Es enthält auch diese interessante Information: Unter dem Decknamen »Norddorf« führte der Bundesnachrichtendienst 1970 den Redakteur des Münchner Männermagazins M Michael Naumann. Angeblich, so Schmidt-Eenboom, sei der damals 29jährige ein »Zufallskontakt« des BND gewesen. Doch habe Naumann noch andere Beziehungen nach Pullach gehabt. Die allerdings reichten dort auf familiären Wegen bis nach ganz oben. Denn 1970, in jenem Jahr, als für den Journalisten bei der »Zeit« ein steiler Aufstieg begann, heiratete Naumann die Tochter des damaligen BND-Chefs Gerhard Wessel. Über dessen Behörde schrieb 1968 der »Spiegel«: »Die parlamentarische Kontrolle ist minimal, und so besteht stets Gefahr, daß die Männer, mit deren Nachrichten Politik gemacht werden soll, selber Politik mit Nachrichten machen.«
Man stelle sich vor, Schröders Schattenmann hätte bis 1989 in der DDR gelebt, wäre der Schwiegersohn von Erich Mielke gewesen und noch dazu auf einer Liste des MfS als IM aufgetaucht. Würden dann nicht sämtliche Zeitungen des Landes darüber schreiben, sich in Vermutungen üben über die Karriere des Mannes? Doch hier liegt der Fall ja anders: Der BND - auch unter Gerhard Wessel geleitet von einem alten Nazi-Offizier der Abteilung »Fremde Heere Ost« - ist der Geheimdienst einer Demokratie. »Ich halte es für eine legitime und ehrenvolle Mitarbeit auch von Journalisten, wenn sie dem BND Erkenntnisse vermitteln«, sagte 1974 der Naumann-Schwiegervater. »Die Frage der Honorierung« sei »ein Problem für sich.«
Holger Becker

* * *

Ergänzend hier noch ein Literaturhinweis:

*Heinz Felfe*
*Im Dienst des Gegners*
10 Jahre Moskaus Mann im BND

Hamburg, Zürich: Rasch und Röhring
1986. 384 S. ISBN 3-89136-059-2

Hier ein kleiner Auszug zum Thema *Presse* und *BND:*

Gehlen hatte ein Gespür, wie wichtig eine gute Verbindung zur Presse und ihr Wohlwollen sein würde, schon allein deshalb, um von den wahren Absichten der Organisation und des BND ablenken zu können. Die "SPIEGEL"-Affäre des Jahres 1962 steht dem keineswegs entgegen, sie beweist nur die enge Verbindung des BND zur Presse, denn der BND hatte doch die in kriminierten und den Skandal auslösenden Artikel abgesegnet. Diese Verbindungen waren offiziell und illegal zugleich. Übrings hat ja General Gehlen selbst in seinen Memoiren hervorgehoben, wie intim seine Verbindungen zum Nachrichtenmagazin "DER SPIEGEL" waren.

Es gab kaum ein größeres Blatt, kaum ein Magazin oder eine Wochenzeitung, die nicht in Partnerschaft mit der BND-Zentrale stand.

... + Es ist kaum davon auszugehen, daß dies heute anders ist. *

Interessantes ist in diesem Buch auch zum Thema *Hochschulen* und *BND* zu lesen.

G. Lange

>>>---------------------------------------------------<<<
>> Further Informations about Iraq and Palestine:
>> http://www.germany.net/teilnehmer/101,88843/
>>>---------------------------------------------------<<<

* * * * *

Spione werden Journalisten

Das Unternehmen Stratfor bietet Agentendienste und veröffentlicht Reports über das Internet

Von Bruck M. Kimmerle

James Bond stand im Dienste ihrer Majestät. Er und seine Schlapphut-Kollegen dienten Staaten, nicht Firmen. Spionage wurde seit jeher als staatliche Domäne betrachtet. Im Zeitalter der Globalisierung und des Internet ändert sich das.

"Stratfor" heißt das Unternehmen, welches seit 1995 die Spielwiese der hoheitlichen Doppelnullen den Spielregeln des elektronischen Marktes unterwirft. Das Firmenkürzel steht für "Strategic Intelligence and Forecasting" (Strategische Aufklärung und Vorhersage). Keine Region der Welt, kein Land der Erde entgeht den Sensoren der privaten Geheimdienstprofis. Durch gezielte Auswertung öffentlich zugänglicher Daten und Informationen verdichten die Stratfor-Experten die Bits und Bytes über die Krisen dieser Welt zu detaillierten Lage- und Hintergrundberichten. Die neue Form der globalen Aufklärung bekam sogleich einen neuen Namen: Open-Source Intelligence.

Die Quelle der Erkenntnis sprudelt nicht nur in eine Richtung. Stratfor publiziert wesentliche Reports auf der eigenen Web-Seite. Das "Global Intelligence Update" (GIU) landet seit Juli 1996 als Newsletter vier Mal pro Woche in der Mailbox von Herrn und Frau Jedermann - kostenlos.

Zahlende Klienten aus der Wirtschaft sind indessen die Haupteinnahmequelle des Dienstes. Für sie werden auf die jeweilige Wettbewerbs- und Interessenlage angepasste Analysen erstellt, welche durchaus in der Grauzone der Wirtschaftsspionage liegen können. Wer die Kunden sind? Das ist ein Geheimnis, wie viele Stratfor-Interna. Die Web-Seiten listen jedoch bestimmte Kundengruppen auf: Chemie, Medien, Telekommunikation, Investment Banker, Textilfirmen und regionale Regierungen. Das Leistungsspektrum für diese gesellschaftlichen Info-User erstreckt sich auf die Überwachung von Regionen, Konkurrenten, Industrien sowie auf die Erstellung von marktspezifischen Risiko- und Entwicklungsanalysen. Weiterhin werden wirtschaftliche, politische, militärische und soziale Vorhersagen zu bestimmten Ländern oder Regionen getroffen, um den Info-Abnehmern böse Überraschungen zu ersparen. Sogar die Biografien einzelner Personen sind vor den Stratfor-Spähern nicht sicher. Angeblich kann selbst auf die finanzielle Situation von Individuen zugegriffen werden. Dennoch: Zuerst haben die Schnüffel-Innovatoren aus Austin die Vision, Pioniere des globalen News Business zu sein. "Nachrichten mit der Geschwindigkeit des Fernsehens und der Tiefe des Gedruckten zu liefern", lautet das Stratfor-Motto. "Das Internet ändert alles. Die Art, wie Nachrichten zur Verfügung gestellt werden, ist keine Ausnahme."

Stratfor.com sei daher in der Mitte der Transformation von einem privaten Aufklärungsdienstleister, mit der primären Stoßrichtung, weltweiten Geschäftskunden "Intelligence" bereitzustellen, hin zu einem globalen Nachrichtenanbieter. Die Zukunft sei ein "Open-Source Cyber-Intelligence"-Liefersystem.

Seine globale Feuertaufe erlebte das Open-Source-Konzept am 24. März 1999. An diesem Tag begannen die Nato-Bomben auf Serbien zu regnen. Die Welt versank im Nebel des allseitigen Info-Krieges. Die TV-Sender überboten sich mit je nach Interesse der Konfliktparteien gefärbten Berichten. Eine E-Mail an 20 000 Newsletter-Empfänger kündigte den Start des "Kosovo Crisis Center" an und führte zu vier Millionen Seitenabrufen pro Monat. Aus Belgrad liefen Treffermeldungen per E-Mail ein. Was an Netzquellen und Hintergrunddaten verfügbar war, wurde analysiert und zu einem laufenden Lagebild verdichtet. "Unsere Leser bemerkten schnell, dass CNN zwar Nachrichten in Echtzeit verbreiten konnte, diesen Meldungen jedoch Kontext und Tiefe fehlte." Und während die "New York Times" Tiefe und Analyse lieferte, kam die Zeitung doch nur einen Tag später heraus. Das netzbasierte Krisenzentrum kombinierte die Elemente des Rundfunks und des gedruckten Wortes - um sie Interessenten sofort auf den Bildschirm zu senden. Die Info-Scouts aus Texas hatten allen Grund zur Freude: "Der Golfkrieg war der Krieg von CNN. Jetzt sagen die Leute, der Jugoslawien-Krieg von 1999 war ein Internet-Krieg."

Das Konzept, Konfliktanalysen global über das Netz der Netze zugänglich zu machen, kann auch zu innenpolitischen Verwerfungen führen. Politiker an der Peripherie des Globus fühlten sich früher vor globalem Feedback sicher, so es zu keinen hässlichen TV-Bildern kam. Als die privaten Aufklärungsspione 1999 eine Analyse über eine potenzielle innenpolitische Krise im Umfeld des Präsidenten der Philippinen, Joseph Estrada, veröffentlichten, wurde die Reichweite des Stratfor-Konzepts deutlich. Schnell griffen die innenpolitischen Gegner Estradas den Report auf, um das vermeintliche Ende seiner Regierung herbeizuwettern. Der Präsident selber rieb sich die Augen und dementierte heftig alle Stratfor-Prognosen. In Manila witterte man gar düstere Umtriebe ausländischer Provokateure im Sold der Opposition.

Ein Mehr an Gewissheit bringt das digitale Going Public des Geheimen also nicht unbedingt. Aber es öffnet die Welt.

Stratfor-Reports im Internet:

http://www.stratfor.com

Channel: Webwelt
Ressort: Netz-Gesellschaft
Erscheinungsdatum: 20.01.2000

URL: http://www.welt.de/daten/2000/01/20/0120ns147479.htx

Demokratisches Defizit
Andreas von Bülow klagt CIA und BND an

GEHEIMDIENSTE

Arbeiten Geheimdienste mit kriminellen Methoden? Folgt man den Ausführungen von Andreas von Bülow, früher Staatssekretär im Verteidigungsministerium unter Georg Leber und Hans Apel, und Ex-Forschungsminister, dann ist das üblich. Mehr noch: verdeckte Operationen würden auch mit sogenannten Narco-Dollars, Geldern aus dem Drogenhandel, finanziert. Überwiegend beziehen sich die Vorwürfe auf den US-Dienst CIA, der deutsche Bundesnachrichtendienst spielt eine eher marginale Rolle, obwohl er im Untertitel des Sachbuchs prominent erwähnt wird: "Im Namen des Staates - CIA, BND und die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste".

Der langjährige Bundestagsabgeordnete, der bis 1994 für die SPD im Parlament saß, war darüber empört, daß im Untersuchungsaussschuß über die verschwundenen DDR-Millionen aus dem Koko-Imperium des Schalck-Golodkowski die Geheimdienste blockten. Schon zuvor hatte der Jurist in der zuständigen Parlamentarischen Kontrollkommission erfahren, daß sich der BND nicht in alle Karten sehen läßt. Solch demokratische Defizite waren es, die Bülow zur Spurensuche veranlaßten. Er wertete dabei viele Presseberichte und Sekundärliteratur aus, darunter Klassiker über die CIA wie das Tagebuch "CIA intern" von Philip Agee oder Einblicke in die Macht, wie sie Zbigniew Brzezinski, Berater von US-Präsident Jimmy Carter, zwischen Buchdeckeln lieferte. Primärquellen, sprich Akten, gibt es in diesem grauen Politikbereich eben sehr selten. So zählt Autor Bülow vielfach die Ungereimtheiten auf, die sich mit Fällen wie La Belle, Lockerbie, Palme-Mord und etlichen anderen verbinden und die Verstrickungen von Diensten nahelegen.

Gesichert sind zahlreiche Einmischungen der CIA, etwa die massive Unterstützung der afghanischen Mudschaheddin gegen die frühere Sowjetbesatzung oder die Beteiligung am Sturz des chilenischen Präsidenten Salvador Allende 1973. Im Kalten Krieg war vieles geduldet worden, hatten westliche Geheimdienste - und nur die nimmt Bülow ins Visier - per se eine Existenzberechtigung und üppige Finanzausstattung.

Und heute? Der Autor, der als Sicherheitspolitiker früher für Abrüstung und Entspannung zwischen den Blöcken auftrat, wirft den Diensten nun vor, nach dem Kommunismus den islamischen Fundamentalismus zum neuen "Popanz" aufzubauen. Nicht einen Kampf der Kulturen, sondern einen um das Öl Eurasiens sieht Bülow hinter dieser Strategie. Damit sollen jetzt Macht und Einfluß über die Zeit gerettet werden. Daraus ergibt sich dann aber auch die Frage, ob die Dienste wirklich im Namen des Staates handeln, wie der Buchtitel nahelegt, oder ob sie nicht vielmehr und in erster Linie in eigenem Interesse operativ tätig werden, das heißt buchstäblich verdeckt vorgehen.

Vieles hat Andreas von Bülow auf Plausibilität abgeklopft, vieles bleibt Spekulation, denn Spurenverwischung und Desinformation gehören zum Handwerkszeug der Agenten. Das macht auch dieses mit dem Anspruch der Enthüllung auf den Markt geworfene Buch angreifbar. Zudem fügt der Autor all die internationalen Ereignisse um Drogen und Guerilla, Attentate und Putsche in eine bisweilen konstruiert erscheinende Verschwörungstheorie, als gebe es bei den vielen Geheimdienstoperationen in aller Welt einen roten Faden, der irgendwie immer zur CIA und Weltmacht USA führen müßte. pan

Andreas von Bülow:
Im Namen des Staates.
CIA, BND und die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste.
Piper Verlag, München 624 S., 46 DM.

Berliner Morgenpost 1998

mehr gibts demnaext ...