Newsgroups: z-netz.datenschutz.spionage
Message-ID: <6-jq49reENB@1lange.link-goe.de>
From: G.LANGE@LINK-GOE.de (GIV c/o Gerhard Lange)
Subject: BRD/Medien/BND: Die willigen Helfer des BND
Date: Fri, 28 Aug 1998 22:23:00 +0100
Xref: news.online.de z-netz.datenschutz.spionage:397
Das heimliche Auge des BND
Ein Buch erregt Aufsehen:
Der Friedensforscher Schmidt-Eenboom (Geheimdienstexperte,
SPD-Mann, Nationalrevolutionär, Braunzonenvertreter, wird
gemunkelt) untersucht die Verbindungen deutscher Journalisten
zum Bundesnachrichtendienst. Er nennt prominente Namen -
viel mehr aber auch nicht
Von Wolfgang Gast
Berlin (taz) - Eigentlich ist alles gesagt. "Alles, was hier erzählt
wird, beruht auf eigenen Recherchen. Namen sind meist absichtlich
weggelassen. Wer in diesem Metier recherchiert, wer gar anschließend
darüber schreibt oder spricht, muß wissen, daß dies gefährlich sein
kann." Geschrieben hat das vor einem Dutzend Jahren Manfred Bissinger,
heute Chefredakteur der Zeitschrift 'Die Woche'. Es sind die
einleitenden Sätze seines Aufsatzes "Bundesnachrichtendienst: Warum so
viele Journalisten für den Geheimdienst arbeiten". Manfred Bissinger
stützte sich in seinem Aufsatz über die Verbindungen der
Berufskollegen zu Geheimdiensten unter anderem auf eine lange
Namensliste, die er einmal einsehen durfte. Kurz nach der Bildung der
sozialliberalen Regierung in Bonn war eine Auflistung der
"Pressesonderverbindungen" des Bundesnachrichtendienstes erstellt
worden - der Kanzleramtsminister Horst Ehmke versuchte damals, das
dunkle Treiben des skandalgeschüttelten Pullacher Nachrichtendienstes
ein wenig auszuleuchten.
Ein Vierteljahrhundert später ist diese Liste, die mit Stand von März
1970 230 Verbindungen des BND mit wohlbekannten Redaktionsmitgliedern
aufzählt, erneut Ausgangspunkt einer Veröffentlichung. Der Weilheimer
Friedensforscher Erich Schmidt-Eenboom, ein ausgewiesener Kenner des
Pullacher Geheimdienstes, hat sie zur Grundlage seines Anfang dieser
Woche veröffentlichten Buches "Undercover - Der BND und die deutschen
Journalisten" gemacht. Anders als Bissinger nennt Eenboom aber Namen -
und prompt ist das neue Werk in aller Munde, hagelt es Dementis.
"Infam, wer da plötzlich alles ein Spion sein soll", protestierte
beispielsweise der Bonn-Kolumnist der Bild-Zeitung, Mainhard Graf von
Nayhauß. "Über mich steht", schreibt der Journalist empört im eigenen
Blatt, "daß ich ... als BND-Konfident der Kategorie II, Deckname
,Nienburg` gegolten hätte. Beweis meiner Undercover-Tätigkeit: Ein
Artikel aus den fünfziger Jahren gegen den Verfassungsschutz." Auch
die Herausgeberin der Zeit, Marion Gräfin Dönhoff, ist in der Liste
aufgeführt.
Ein ganzes Kapitel widmet Eenboom der First Lady des bundesdeutschen
Journalismus. Er läßt sie selbst zu Wort kommen, läßt sie sagen, "ich
weiß wirklich nicht, was damit gemeint ist". Dönhoff räumt ein, daß
ein Mitarbeiter des BND "gelegentlich bei der Zeit vorbeikam und mit
... mir gesprochen hat, so, wie man mit irgend einem Fremden, der
eine Zeitung besucht, spricht". Eines aber berichtet Schmidt-Eenboom
nicht: wie denn die "voll tragfähige Verbindung" Dönhoffs zum BND
ausgesehen haben könnte.
Statt dessen wirft der Autor der Journalistin vor, wohlwollende
Porträts über den BND-Gründer Reinhard Gehlen verfaßt zu haben. Etwas
nebulös flüchtet Eenboom sich denn auch in die Aussage, "die
vorliegende Untersuchung soll jene oft verborgenen Episoden und
Beziehungen aufdecken, die in ihrer Gesamtschau das Netzwerk der
Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes erhellen, nicht etwa das
Handeln der ins Visier genommenen Kontaktpersonen bewerten. In deren
Leben sind die Kontakte zum Geheimdienst nur eine Facette. Für den BND
hingegen addieren sich diese Facetten zu einem heimlichen Auge."
Die Pullacher Behörde sah sich ebenso genötigt, eine Stellungnahme
abzugeben. "Aus der damaligen Praxis der Vergabe von Decknamen und
V-Nummern für Journalisten, die mit dem Bundesnachrichtendienst
gesprochen hatten, läßt sich keineswegs ableiten, daß Journalisten
operativ für den Bundesnachrichtendienst tätig waren." Das hat Eenboom
auch gar nicht behauptet - und das ist die Crux seiner "Untersuchung":
Es ist nicht nachvollziehbar, worauf der Autor eigentlich hinauswill.
Dem inszenierten Verdacht, die Pullacher Schlapphüte hätten über
Journalisten PR in eigener Sache getrieben, darf man getrost die
veröffentlichte Meinung über den BND entgegenstellen, die in aller
Regel wenig schmeichelhaft für den Geheimdienst ausgefallen ist.
Natürlich waren und sind auch JournalistInnen den Geheimdiensten immer
wieder unheimlich zu Diensten. Eenboom berichtet darüber aber nur am
Rande. Ausdrücklich spart er sogar die aus, die unter der Legende
"Journalist" für einen Geheimdienst arbeiten. Schmidt-Eenboom setzt
auf prominente Namen: Dönhoff, Nannen, Wagner, Boehnisch, alle standen
sie irgendwie in Verbindung mit dem BND. Irgendwie halt, Genaues weiß
man nicht. Nur: Wer sollte das Buch kaufen, wären die Namen nicht
aufgeführt?
* * *
"Die wußten vom Kontakt zum BND"
Der Geheimdienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom über den Umgang der
Journalisten mit dem BND und den Fall der "Zeit" -Herausgeberin
Dönhoff
taz: Herr Schmidt-Eenboom, wenn ich als taz-Redakteur von der BND
Pressestelle Informationen erhalte, setze ich mich da schon einer
Desinformationsstrategie des Geheimdienstes aus?
Erich Schmidt-Eenboom: Nein. Allerdings muß man für taz-Mitarbeiter
wie für andere kritische Journalisten festhalten, daß eine offizielle
Anfrage beim BND in der Regel nichts bringt.
Da sind wir doch schon beim Problem. Ohne inoffizielle Kontakte erhält
ein Journalist keine Informationen.
Das sehe ich nicht so. Es geht ja nicht nur um die Berichterstattung
über die Geheimdienste, sondern darum, daß der BND eine Art
Journalistenholding über Agentenführer beschäftigte.
Sie beziehen sich in Ihrem Buch auf eine BND-Liste von 1970 mit
sogenannten Pressesonderverbindungen. Die Kriterien scheinen
schwammig. Hat da der BND einen Popanz aufgebaut?
Bei den Kategorien I (voll tragfähige, regelmäßige oder häufige
Kontakte) und II (Formalkontakte, unregelmäßige Kontakte nach Bedarf)
muß man von einem wissentlichen Kontakt zum BND ausgehen, zumal diese
Journalisten ihre Agentenführer hatten. In allen Fällen, wo ich das
nachprüfen konnte, war den Journalisten klar, daß ihnen ein
BND-Abgesandter gegenübersaß. Bei den Fällen der Kategorie III
(Zufallskontakte, Planung) wußten die Betroffenen das nur in
Ausnahmefällen bzw. trat der BND über getarnte Pressebüros an sie
heran.
Sie zitieren den Fall der Zeit-Herausgeberin Gräfin Dönhoff, die mit
dem BND in Kontakt stand. Als Beweis für ihre Hofberichterstattung
dienen Ihnen die Erinnerungen des BND-Präsidenten Reinhard Gehlen, der
Dönhoff für ihre faire Berichterstattung lobte. Ist das nicht ein
wenig dünn?
Das wäre es in der Tat, hätte mir Frau Dönhoff nicht selbst
geschrieben, daß sie regelmäßig Besuch eines BND-Abgesandten bekommen
hatte und auf Wunsch von Herrn Gehlen das einzige Interview anläßlich
seines Dienstendes 1968 machen durfte. Dann schaut man natürlich
kritisch in ihre Artikel, insbesondere zwei ganzseitige von 1963 und
1968, und stellt fest, daß Frau Dönhoff ihre unbestritten hohen
journalistischen Qualitäten hat ruhen lassen. Sie lobte völlig
unkritisch Gehlen als den Landedelmann mit dem Elektronenhirn und
wusch den BND von einer Menge berechtigter Vorwürfe rein.
In der angloamerikanischen Literatur gibt es Literaten wie John le
Carre, die ihre frühere Geheimdiensttätigkeit als patriotische Pflicht
rechtfertigen.
Im Bereich der angelsächsischen Dienste ist es üblich, die Tätigkeit
eines Auslandskorrespondenten für die Nachrichtenbeschaffung zu
nutzen. Dagegen bin ich strikt. Nehmen Sie doch das aktuelle Beispiel
Kongo. Dort wird Journalisten ihre Berichterstattung erschwert, weil
die Regierung einigen Kollegen vorwirft, sie seien Spione. Das
ermöglicht den Machthabern immer wieder, gegen das Korps der
Auslandskorrespondenten vorzugehen, weil einige wohl für
Auslandsdienste arbeiten.
Gab es eine BND-Geldliste für Journalisten?
Für die 70er Jahre kann ich das eindeutig bejahen. An der Spitze traf
das August Hoppe, WDR-Politikchef, der monatlich 700 Mark steuerfrei
und weiteres Geld für Unterquellen bekam. Hoppe ist ein schöner Fall
für die publizistische BND-Eigensicherung. Er lud damals im WDR für
eine Sendung über deutsche Nachrichtendienste seinen BND-Agentenführer
und einen Historiker ein, der als erstrangige Quelle in der
BND-Zentrale in Pullach geführt wurde.
Und heute?
Ich kann Fälle nachweisen, etwa den FAZ-Geheimdienstspezialisten Udo
Ulfkotte, der von 1993 bis 1996 an der Heimatfront für den BND tätig
war. Und der Präsident des BND, Hansjörg Geiger, hat erst im März
dieses Jahres eine Weisung erteilt, wonach er sich vorbehält, über die
Anwerbung von Journalisten zu entscheiden.
Wer hat Ihnen die Liste von 1970 gegeben?
Dazu nur soviel: Die Bereitschaft nach dem Ende des Kalten Krieges, so
etwas aus dem Nachlaß herauszugeben, ist gewachsen.
Müssen Sie nicht ebenfalls damit rechnen, von BND-Quellen mißbraucht
zu werden?
Man steht immer in der Gefahr, für Grabenkämpfe im Dienst in Anspruch
genommen zu werden. Ich habe solche Hinweise allenfalls als Material
für die Gegenrecherche genommen und sie nur dort verwandt, wo ich die
Bestätigung der Gegenseite erhalten habe. Ansonsten wandern sie in den
Papierkorb.
Interview: Severin Weiland
* * *
*
Ein Buch über den Bundesnachrichtendienst*
*und die Medien*
*Geschäfte auf Gegenseitigkeit*
Zwischen Politik und Medien lautet eine Grundregel: Geschäfte nur auf
Gegenseitigkeit. Wer bestimmte Informationen erhalten will, muß sich
immer auch ein Stück weit auf die Spielregeln einlassen, die die
Gegenseite diktiert. In Bonn wird das Spiel in Hintergrundkreisen bis
zur Perfektion betrieben. Politiker nehmen Einfluß, indem sie
bestimmte Informationen weitergeben, um Debatten in Gang zu setzen, um
Widersacher anzuschwärzen und zu Fall zu bringen. Oft ist der
Journalist dabei auf sich allein gestellt: Was verwertet er, wie weit
macht er mit, wann zitiert er eine Quelle anonym? Persönliche
Eitelkeiten, Konkurrenzdruck und parteipolitische Nähe sind häufig
wichtiger als die Verpflichtung, sich mit den sogenannten Mächtigen
nicht gemein zu machen.
Unter verschärften Bedingungen arbeiten jene Kollegen und Kolleginnen,
die im trüben Wasser der Geheimdienste fischen. Sie wissen, daß hier
Informationen in der Regel zielgerichtet vergeben werden. Sei es, um
in der Öffentlichkeit ein positives Bild über die Arbeit der Dienste
herzustellen, sei es, um indirekt in Hauskämpfe der Geheimen
einzugreifen. Der Satz, wonach die Wahrheit im Krieg als erste auf der
Strecke bleibt, gilt in Teilen auch für die Berichterstattung über
Geheimdienste. Dem Autor Erich Schmidt- Eenboom gebührt das Verdienst,
einen Einblick in die Beziehungen zwischen Bundesnachrichtendienst und
Medien ermöglicht zu haben. Einmal von jenen abgesehen, die sich
ohnehin als PR-Agenten des Dienstes verstehen und sich häufig auch ein
bescheidenes Nebensalär verdienten, überrascht doch, wie viele
Journalisten sich auf das Geschäft des Gebens und Nehmens einließen -
und noch immer einlassen. Darüber wird - bis auf wenige Ausnahmen -
selten berichtet.
Weitaus beherzter ist die Branche, wenn es darum geht, die
Überschreitungen anderer Berufszweige zu kritisieren. Sind die eigenen
Methoden im Visier, stößt man im Mediengeschäft allzu häufig auf ein
Kartell des Schweigens, zumindest der gegenseitigen Rücksichtnahme. Um
so weniger kann es also überraschen, wie verhalten - von Ausnahmen
abgesehen - Schmidt-Eenbooms Buch bislang aufgenommen wurde. Es zielt
eben mitten ins Selbstverständnis der Medien, die von sich allzu gerne
das Bild der unabhängigen vierten Gewalt zeichnen. Man darf wohl
getrost behaupten, daß der Aufschrei größer gewesen wäre, wenn
Schmidt-Eenboom sich anderen Verflechtungen gewidmet hätte: denen der
Medien mit der Stasi.
Severin Weiland
aus: taz, v. 27. 08. 1998
* * *
Desinformanten
*Erich Schmidt-Eenboom hat ein Buch über willige Helfer*
*des BND in den bundesdeutschen Medien geschrieben*
Bis zum Regierungsantritt Willy Brandts 1969 betrachtete die CDU die
Bundesrepublik mit einigem Recht als Parteieigentum. Für den BND, im
bayerischen Pullach ansässig, gilt das mehr oder weniger bis heute:
Aus einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für davongekommene Wehrmachts-
und SS-Chargen wurde im Laufe der Jahre eine
Altersversorgungseinrichtung der CSU - unabhängig davon, welches
Parteibuch der BND-Präsident gerade hat. Gewollt oder ungewollt - nach
außen wird das Bild einer bräsigen, von obskuren Seilschaften und
durchgeknallten Antikommunisten bestimmten Pannen-Behörde gemalt. Von
Waffenhandel, Mord und Verfolgung einzelner Personen ist selten die
Rede. Auch Schmidt- Eenboom erwähnt nur am Rande, wie z.B. zwei BND
Leute für den Abschuß eines afghanischen Regierungsflugzeuges plus
Video in den 80er Jahren 10.000 Dollar zahlten. So war das schon unter
Reinhard Gehlen und hörte unter Klaus Kinkel nicht auf
1969 mußte sich der Dienst mit der neuen Regierungsmannschaft aus SPD
und FDP in Bonn arrangieren, was naturgemäß schwerfiel. Sozen als
Chefs einer reichs- und bundestreuen Behörde - das ist in Bayern auch
1998 noch ein Ding wie der Gottseibeiuns. Es ging auch schlecht los:
Der neue Kanzleramtsminister Horst Ehmke ließ sich aus Pullach eine
Liste mit Namen von Joumalisten geben, zu denen man dort Vertrauen
hatte. Die Liste wurde immer wieder mal erwähnt, Schmidt-Eenboem hat
sie jetzt und machte ein Buch daraus. Auf ihr stehen z. B.: Reinhard
Appel (ZDF), Peter Boenisch (Bild), Klaus Bölling (NDR,
Regierungssprecher), Marion Gräfin Dönhoff (Zeit), Jens Feddersen
(Neue Ruhr- Zeitung), Josef von Ferenczy (Verleger), Horst Hano (ARD),
Karl Holzamer (ZDF), Herbert Kremp (Welt), Hagen von Lambsdorff
(Spiegel). Paul Limbach (Focas), Enno von Loewenstern (Welt), Gerhard
Löwenthal (ZDF), Horst Mahnke (Springer-Verlag), Armin Mohler
(Publizist), Michael Naumann (designierter Kulturbeauftragter Gerhard
Schröders), Henri Nannen (stern), Mainhardt Graf Nayhauß-Cormons
(Bild), Lothar Rühl (Spiegel, stellv. Regierungssprecher), Paul Karl
Schmidt, d. i. Paul Carell (Bild) u v.a.
Die Namen sind keine Sensation. Sie bestätigen nur, daß sich auch in
den höheren Etagen der Bundesrepublik untereinander alle schon immer
gut kannten. Das ist so in regierenden Bekanntenkreisen, war
allerdings in der DDR - wie man weiß - ein besonderes Vergehen. Es
wäre eher ein Skandal gewesen, wenn Sauermilch-Löwenthal nicht im
Verein gewesen wäre. Und glaubhaft ist auch, daß Gräfin Dönhoff aus
lauter Sympathie nette Artikel über Gehlen schrieb. Dazu brauchte es
die förmliche Verpflichtung wahrlich nicht. Bei Schmidt-Eenboom ist
noch einmal nachzulesen, wie man aus dem Sicherheitsdienst der SS
direkt ins Management von Springer kam, wie Henri Nannen als
SS-Propagandist startete und das Logo der »Aktion Südstern« für seine
Zeitschrift wiederverwendete, welchen Rang die Deutsche Welle als
Personal-Ablage des Dienstes stets hatte oder wie zärtlich der BND mit
dem Münchner Merkur oder Focus umgeht. Warum der Autor den Spiegel für
BND-kritisch hält, erklärt er nicht, nennt aber einige Vertrauensleute
in dessen Redaktion Fazit: Keine alten Kamellen, aber auch nicht
wirklich Neues. Auslandsquellen des BND standen ohnehin nicht auf der
Ehmke-Liste, und es gibt ja noch ein paar mehr Geheimdienste und viele
andere Desinformanten. Z. B. Herrn Brehmer und Herrn Bohnsack aus der
Hauptverwaltung Aufklärung der DDR, die sich nach 1989 reuevoll
bezichtigten, in den sechziger Jahren den KZ-Baumeister Lübke,
seinerzeit Bundespräsident, »geschaffen« zu haben. Die Schaffung war
nicht nötig, stellt Schmidt- Eenboom fest, Lübke nahm zweifelsfrei an
KZ-Planungen teil. Hängen blieb: Lübke war Stasi-Opfer. Einen Job in
Pullach haben Brehmer/ Bohnsack trotz des Übersolls wohl dennoch nicht
erhalten. Man hat genügend eigene Leute für Desinformation, lehrt
dieser Band.
Arnold Schölzel
Erich Schmidt-Eenboom: Undercover. Der BND und die deutschen
Journalisten. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1998, 448 Seiten, DM 48
aus: junge welt, v. 27. Aug. 1998
* * *
junge Welt, Freitag, 28. August
1998, Nr. 200, Seite 3, ansichten
K O M M E N T A R
>
Der BND und die Journalisten: Wie war's bei Naumann?
>>
Der Schattenmann
Er kam, sah und bestimmte: Vor dem Erscheinen Michael Naumanns in
Gerhard Schröders Schattenmannschaft war der Wiederaufbau des
Berliners Stadtschlosses für die Sozialdemokraten kein Thema. Das
änderte sich mit ein paar in die Fernsehkameras gesprochenen Worten
des Schattenmannes, der unter einem Kanzler Schröder so etwas
ähnliches wie ein Bundeskulturminister werden soll. Naumann, nach
eigener Auskunft eine »Karteileiche« der SPD, stand plötzlich und
nicht nur in dieser Frage für den Kurs der gesamten Partei. Diese
Demonstration von Bevormundungskultur läßt Großartiges erwarten für
Zeiten, in denen der heutige Angestellte des meinungsmachenden
Holtzbrinck-Konzern in staatlichem Amt und Würden ist.
Besonders ungern gesehen sind Bevormunder natürlich dann, wenn niemand
genau wissen kann, ob hinter ihnen nicht noch andere Bevormunder
stehen. Im Falle des Michael Naumann gibt es da seit ein paar Tagen
Erklärungsbedarf: Zu Wochenbeginn kam Erich Schmidt- Eenbooms Buch
»Undercover. Der BND und die deutschen Journalisten« auf den Markt. Es
enthält auch diese interessante Information: Unter dem Decknamen
»Norddorf« führte der Bundesnachrichtendienst 1970 den Redakteur des
Münchner Männermagazins M Michael Naumann. Angeblich, so
Schmidt-Eenboom, sei der damals 29jährige ein »Zufallskontakt« des BND
gewesen. Doch habe Naumann noch andere Beziehungen nach Pullach
gehabt. Die allerdings reichten dort auf familiären Wegen bis nach
ganz oben. Denn 1970, in jenem Jahr, als für den Journalisten bei der
»Zeit« ein steiler Aufstieg begann, heiratete Naumann die Tochter des
damaligen BND-Chefs Gerhard Wessel. Über dessen Behörde schrieb 1968
der »Spiegel«: »Die parlamentarische Kontrolle ist minimal, und so
besteht stets Gefahr, daß die Männer, mit deren Nachrichten Politik
gemacht werden soll, selber Politik mit Nachrichten machen.«
Man stelle sich vor, Schröders Schattenmann hätte bis 1989 in der DDR
gelebt, wäre der Schwiegersohn von Erich Mielke gewesen und noch dazu
auf einer Liste des MfS als IM aufgetaucht. Würden dann nicht
sämtliche Zeitungen des Landes darüber schreiben, sich in Vermutungen
üben über die Karriere des Mannes? Doch hier liegt der Fall ja anders:
Der BND - auch unter Gerhard Wessel geleitet von einem alten
Nazi-Offizier der Abteilung »Fremde Heere Ost« - ist der Geheimdienst
einer Demokratie. »Ich halte es für eine legitime und ehrenvolle
Mitarbeit auch von Journalisten, wenn sie dem BND Erkenntnisse
vermitteln«, sagte 1974 der Naumann-Schwiegervater. »Die Frage der
Honorierung« sei »ein Problem für sich.«
Holger Becker
* * *
Ergänzend hier noch ein Literaturhinweis:
*Heinz Felfe*
*Im Dienst des Gegners*
10 Jahre Moskaus Mann im BND
Hamburg, Zürich: Rasch und Röhring
1986. 384 S. ISBN 3-89136-059-2
Hier ein kleiner Auszug zum Thema *Presse* und *BND:*
Gehlen hatte ein Gespür, wie wichtig eine gute Verbindung zur
Presse und ihr Wohlwollen sein würde, schon allein deshalb, um von
den wahren Absichten der Organisation und des BND ablenken zu
können. Die "SPIEGEL"-Affäre des Jahres 1962 steht dem keineswegs
entgegen, sie beweist nur die enge Verbindung des BND zur Presse,
denn der BND hatte doch die in kriminierten und den Skandal
auslösenden Artikel abgesegnet. Diese Verbindungen waren offiziell
und illegal zugleich. Übrings hat ja General Gehlen selbst in
seinen Memoiren hervorgehoben, wie intim seine Verbindungen zum
Nachrichtenmagazin "DER SPIEGEL" waren.
Es gab kaum ein größeres Blatt, kaum ein Magazin oder eine
Wochenzeitung, die nicht in Partnerschaft mit der BND-Zentrale stand.
...
+ Es ist kaum davon auszugehen, daß dies heute anders ist. *
Interessantes ist in diesem Buch auch zum Thema *Hochschulen* und
*BND* zu lesen.
G. Lange
>>>---------------------------------------------------<<<
>> Further Informations about Iraq and Palestine:
>> http://www.germany.net/teilnehmer/101,88843/
>>>---------------------------------------------------<<<
* * * * *
Spione werden Journalisten
Das Unternehmen Stratfor bietet Agentendienste und veröffentlicht
Reports über das Internet
Von Bruck M. Kimmerle
James Bond stand im Dienste ihrer Majestät. Er und seine
Schlapphut-Kollegen dienten Staaten, nicht Firmen. Spionage wurde seit
jeher als staatliche Domäne betrachtet. Im Zeitalter der
Globalisierung und des Internet ändert sich das.
"Stratfor" heißt das Unternehmen, welches seit 1995 die Spielwiese der
hoheitlichen Doppelnullen den Spielregeln des elektronischen Marktes
unterwirft. Das Firmenkürzel steht für "Strategic Intelligence and
Forecasting" (Strategische Aufklärung und Vorhersage). Keine Region
der Welt, kein Land der Erde entgeht den Sensoren der privaten
Geheimdienstprofis. Durch gezielte Auswertung öffentlich zugänglicher
Daten und Informationen verdichten die Stratfor-Experten die Bits und
Bytes über die Krisen dieser Welt zu detaillierten Lage- und
Hintergrundberichten. Die neue Form der globalen Aufklärung bekam
sogleich einen neuen Namen: Open-Source Intelligence.
Die Quelle der Erkenntnis sprudelt nicht nur in eine Richtung.
Stratfor publiziert wesentliche Reports auf der eigenen Web-Seite. Das
"Global Intelligence Update" (GIU) landet seit Juli 1996 als
Newsletter vier Mal pro Woche in der Mailbox von Herrn und Frau
Jedermann - kostenlos.
Zahlende Klienten aus der Wirtschaft sind indessen die
Haupteinnahmequelle des Dienstes. Für sie werden auf die jeweilige
Wettbewerbs- und Interessenlage angepasste Analysen erstellt, welche
durchaus in der Grauzone der Wirtschaftsspionage liegen können. Wer
die Kunden sind? Das ist ein Geheimnis, wie viele Stratfor-Interna.
Die Web-Seiten listen jedoch bestimmte Kundengruppen auf: Chemie,
Medien, Telekommunikation, Investment Banker, Textilfirmen und
regionale Regierungen. Das Leistungsspektrum für diese
gesellschaftlichen Info-User erstreckt sich auf die Überwachung von
Regionen, Konkurrenten, Industrien sowie auf die Erstellung von
marktspezifischen Risiko- und Entwicklungsanalysen. Weiterhin werden
wirtschaftliche, politische, militärische und soziale Vorhersagen zu
bestimmten Ländern oder Regionen getroffen, um den Info-Abnehmern böse
Überraschungen zu ersparen. Sogar die Biografien einzelner Personen
sind vor den Stratfor-Spähern nicht sicher. Angeblich kann selbst auf
die finanzielle Situation von Individuen zugegriffen werden. Dennoch:
Zuerst haben die Schnüffel-Innovatoren aus Austin die Vision, Pioniere
des globalen News Business zu sein. "Nachrichten mit der
Geschwindigkeit des Fernsehens und der Tiefe des Gedruckten zu
liefern", lautet das Stratfor-Motto. "Das Internet ändert alles. Die
Art, wie Nachrichten zur Verfügung gestellt werden, ist keine
Ausnahme."
Stratfor.com sei daher in der Mitte der Transformation von einem
privaten Aufklärungsdienstleister, mit der primären Stoßrichtung,
weltweiten Geschäftskunden "Intelligence" bereitzustellen, hin zu
einem globalen Nachrichtenanbieter. Die Zukunft sei ein "Open-Source
Cyber-Intelligence"-Liefersystem.
Seine globale Feuertaufe erlebte das Open-Source-Konzept am 24. März
1999. An diesem Tag begannen die Nato-Bomben auf Serbien zu regnen.
Die Welt versank im Nebel des allseitigen Info-Krieges. Die TV-Sender
überboten sich mit je nach Interesse der Konfliktparteien gefärbten
Berichten. Eine E-Mail an 20 000 Newsletter-Empfänger kündigte den
Start des "Kosovo Crisis Center" an und führte zu vier Millionen
Seitenabrufen pro Monat. Aus Belgrad liefen Treffermeldungen per
E-Mail ein. Was an Netzquellen und Hintergrunddaten verfügbar war,
wurde analysiert und zu einem laufenden Lagebild verdichtet. "Unsere
Leser bemerkten schnell, dass CNN zwar Nachrichten in Echtzeit
verbreiten konnte, diesen Meldungen jedoch Kontext und Tiefe fehlte."
Und während die "New York Times" Tiefe und Analyse lieferte, kam die
Zeitung doch nur einen Tag später heraus. Das netzbasierte
Krisenzentrum kombinierte die Elemente des Rundfunks und des
gedruckten Wortes - um sie Interessenten sofort auf den Bildschirm zu
senden. Die Info-Scouts aus Texas hatten allen Grund zur Freude: "Der
Golfkrieg war der Krieg von CNN. Jetzt sagen die Leute, der
Jugoslawien-Krieg von 1999 war ein Internet-Krieg."
Das Konzept, Konfliktanalysen global über das Netz der Netze
zugänglich zu machen, kann auch zu innenpolitischen Verwerfungen
führen. Politiker an der Peripherie des Globus fühlten sich früher vor
globalem Feedback sicher, so es zu keinen hässlichen TV-Bildern kam.
Als die privaten Aufklärungsspione 1999 eine Analyse über eine
potenzielle innenpolitische Krise im Umfeld des Präsidenten der
Philippinen, Joseph Estrada, veröffentlichten, wurde die Reichweite
des Stratfor-Konzepts deutlich. Schnell griffen die innenpolitischen
Gegner Estradas den Report auf, um das vermeintliche Ende seiner
Regierung herbeizuwettern. Der Präsident selber rieb sich die Augen
und dementierte heftig alle Stratfor-Prognosen. In Manila witterte man
gar düstere Umtriebe ausländischer Provokateure im Sold der
Opposition.
Ein Mehr an Gewissheit bringt das digitale Going Public des Geheimen
also nicht unbedingt. Aber es öffnet die Welt.
Stratfor-Reports im Internet:
http://www.stratfor.com
Channel: Webwelt
Ressort: Netz-Gesellschaft
Erscheinungsdatum: 20.01.2000
URL: http://www.welt.de/daten/2000/01/20/0120ns147479.htx
Demokratisches Defizit
Andreas von Bülow klagt CIA und BND an
GEHEIMDIENSTE
Arbeiten Geheimdienste mit kriminellen Methoden? Folgt man den
Ausführungen von Andreas von Bülow, früher Staatssekretär im
Verteidigungsministerium unter Georg Leber und Hans Apel, und
Ex-Forschungsminister, dann ist das üblich. Mehr noch: verdeckte
Operationen würden auch mit sogenannten Narco-Dollars, Geldern aus dem
Drogenhandel, finanziert. Überwiegend beziehen sich die Vorwürfe auf
den US-Dienst CIA, der deutsche Bundesnachrichtendienst spielt eine
eher marginale Rolle, obwohl er im Untertitel des Sachbuchs prominent
erwähnt wird: "Im Namen des Staates - CIA, BND und die kriminellen
Machenschaften der Geheimdienste".
Der langjährige Bundestagsabgeordnete, der bis 1994 für die SPD im
Parlament saß, war darüber empört, daß im Untersuchungsaussschuß über
die verschwundenen DDR-Millionen aus dem Koko-Imperium des
Schalck-Golodkowski die Geheimdienste blockten. Schon zuvor hatte der
Jurist in der zuständigen Parlamentarischen Kontrollkommission
erfahren, daß sich der BND nicht in alle Karten sehen läßt. Solch
demokratische Defizite waren es, die Bülow zur Spurensuche
veranlaßten. Er wertete dabei viele Presseberichte und
Sekundärliteratur aus, darunter Klassiker über die CIA wie das
Tagebuch "CIA intern" von Philip Agee oder Einblicke in die Macht, wie
sie Zbigniew Brzezinski, Berater von US-Präsident Jimmy Carter,
zwischen Buchdeckeln lieferte. Primärquellen, sprich Akten, gibt es in
diesem grauen Politikbereich eben sehr selten. So zählt Autor Bülow
vielfach die Ungereimtheiten auf, die sich mit Fällen wie La Belle,
Lockerbie, Palme-Mord und etlichen anderen verbinden und die
Verstrickungen von Diensten nahelegen.
Gesichert sind zahlreiche Einmischungen der CIA, etwa die massive
Unterstützung der afghanischen Mudschaheddin gegen die frühere
Sowjetbesatzung oder die Beteiligung am Sturz des chilenischen
Präsidenten Salvador Allende 1973. Im Kalten Krieg war vieles geduldet
worden, hatten westliche Geheimdienste - und nur die nimmt Bülow ins
Visier - per se eine Existenzberechtigung und üppige
Finanzausstattung.
Und heute? Der Autor, der als Sicherheitspolitiker früher für
Abrüstung und Entspannung zwischen den Blöcken auftrat, wirft den
Diensten nun vor, nach dem Kommunismus den islamischen
Fundamentalismus zum neuen "Popanz" aufzubauen. Nicht einen Kampf der
Kulturen, sondern einen um das Öl Eurasiens sieht Bülow hinter dieser
Strategie. Damit sollen jetzt Macht und Einfluß über die Zeit gerettet
werden. Daraus ergibt sich dann aber auch die Frage, ob die Dienste
wirklich im Namen des Staates handeln, wie der Buchtitel nahelegt,
oder ob sie nicht vielmehr und in erster Linie in eigenem Interesse
operativ tätig werden, das heißt buchstäblich verdeckt vorgehen.
Vieles hat Andreas von Bülow auf Plausibilität abgeklopft, vieles
bleibt Spekulation, denn Spurenverwischung und Desinformation gehören
zum Handwerkszeug der Agenten. Das macht auch dieses mit dem Anspruch
der Enthüllung auf den Markt geworfene Buch angreifbar. Zudem fügt der
Autor all die internationalen Ereignisse um Drogen und Guerilla,
Attentate und Putsche in eine bisweilen konstruiert erscheinende
Verschwörungstheorie, als gebe es bei den vielen
Geheimdienstoperationen in aller Welt einen roten Faden, der irgendwie
immer zur CIA und Weltmacht USA führen müßte. pan
Andreas von Bülow:
Im Namen des Staates.
CIA, BND und die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste.
Piper Verlag, München 624 S., 46 DM.
Berliner Morgenpost 1998